DNA-Spuren vom Damenslip: Suche nach Prostituierten-Mörder

Die Spurensicherung der Münchner Polizei verwendet extrem seltene Methoden. So kann sie Täter anhand von DNA-Material auch noch nach Jahrzehnten überführen. Sie sucht unter anderem nach dem Mann, der die Stadt durch eine Serie von Prostituiertenmorden in Atem hielt.
von  Abendzeitung
Kriminalhauptkommissar Roland Geck vergleicht in München mit Hilfe einer Lupe die Fingerabdrücke eines Tatverdächtigen mit den Spuren von einem Tatort.
Kriminalhauptkommissar Roland Geck vergleicht in München mit Hilfe einer Lupe die Fingerabdrücke eines Tatverdächtigen mit den Spuren von einem Tatort. © dpa

MÜNCHEN - Die Spurensicherung der Münchner Polizei verwendet extrem seltene Methoden. So kann sie Täter anhand von DNA-Material auch noch nach Jahrzehnten überführen. Sie sucht unter anderem nach dem Mann, der die Stadt durch eine Serie von Prostituiertenmorden in Atem hielt.

Roland Geck befestigt einen Damenslip auf einer Art überdimensionalen Pinnwand. Stück für Stück führt Geck ein Klebeband über die Oberfläche. Er ist auf der Suche nach DNA-Spuren - Sperma, Haare oder Hautschuppen. Das Band schabt der 50-Jährige ab und löst den klebrigen Brei in Alkohol. Wenn er Glück hat, kann er so DNA-Reste isolieren – Reste, mit denen er den Täter finden kann, der zwischen 1966 und 1980 neun Prostituierte bestialisch ermordete.

Geck ist Kriminalhauptkommissar bei der Spurensicherung der Münchner Polizei. Seine Arbeitsgemeinschaft (AG) Altfälle untersucht Spuren in Kriminalfällen, in denen andere bereits aufgegeben haben. 14 Todesfälle hat Gecks Team schon aufgeklärt, an 91 arbeitet es noch. Aus ganz Deutschland schicken Dienststellen Beweisstücke nach München, denn die Methoden von Geck und seinen Kollegen wenden nur sehr wenige Polizeibehörden an. Sie können an Beweisstücken DNA-Reste finden aus einer Zeit, als weder Täter noch Ermittler etwas von der DNA wussten.

Doch ihre Methoden sind umstritten. „Das mit der DNA ist eine pfiffige Idee, aber man muss interpretieren können“, sagt Guido Limmer vom Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA). Bereits minimal kleine DNA-Spuren könnten heute festgestellt werden. Gleichzeitig verliere jeder Mensch täglich tausende Zellen. So könnten an der Jacke eines Opfers Spuren gefunden werden, die aber vom Nachbarn in der U-Bahn stammen. Limmers Kriminaltechnisches Institut vertraut deshalb lieber darauf, wichtige Beweisstücke mit einer Lupe abzusuchen.

Bei den Prostituiertenmorden hat auch Geck zunächst die klassischen Spuren überprüft. Das Besondere: Obwohl alle Fälle sich ähneln, kam bis 2007 niemand auf die Idee, sie in einem Zusammenhang zu untersuchen. Deshalb können Geck und seine AG Altfälle nun erstmals die Spuren miteinander vergleichen. Sie wollen herausfinden, ob damals etwas übersehen wurde, wollen wissen, ob es Übereinstimmungen gibt, ja vielleicht sogar dieselbe DNA an verschiedenen Tatorten.

Doch der Zustand der Beweismittel erschwert dem Team die Arbeit. „Damals wurde leider nicht nach heutigen Maßstäben gearbeitet, die haben alles ohne Handschuhe angefasst“, sagt Geck. Deshalb überlagern sich an vielen Gegenständen DNA-Spuren, einige sind unbrauchbar.

Mit dem Abkleben der Unterhose hatte Geck keinen Erfolg. Deshalb geht er nun zur zweiten Stufe über, der Waschung. Dazu legt er den Slip in einen durchsichtigen Plastikbeutel, den er mit Ethanol auffüllt. Nach etwa drei Tagen hat die Flüssigkeit in der Tüte die Farbe des Stoffes angenommen, unten hat sich ein Bodensatz gebildet. Dann entnimmt Geck vorsichtig das Beweisstück und füllt die Flüssigkeit in kleine Ampullen um. Waren irgendwo an der Unterhose noch DNA-Spuren, wird Geck sie jetzt finden.

Doch die Waschung hat auch Nachteile. „Wir beim BLKA waschen nur als ultima ratio, wenn nichts anderes mehr geht“, erläutert Limmer. Denn das Ethanol isoliert zwar DNA-Spuren. Doch meist finden sich viele Spuren an einem Beweisstück: vom Täter und vom Opfer, aber manchmal auch vom Notarzt oder Polizisten. Als Folge entsteht eine sogenannte Misch-DNA, in der sich die einzelnen Spuren vereinen. Kommt sie von mehr als drei Menschen, kann man sie kaum noch trennen. Deshalb wäscht auch Geck nur als letzte Option.

Im Fall der Prostituiertenmorde hat sein Team alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Doch zu den gefundenen DNA-Spuren gibt es in der Datenbank bislang keine Übereinstimmung. Auch die Mordkommission ermittelt weiter, befragt Verdächtige, hofft auf neue Hinweise. Sie bittet zudem jeden neuen Verdächtigen, eine DNA-Probe abzugleichen. Mit der können Gecks Ergebnisse dann verglichen werden – um vielleicht doch noch den Täter zu finden. Doch das Ganze hat einen Haken: DNA-Proben sind freiwillig. Außer bei dringendem Tatverdacht kann niemand den Täter zwingen, seine DNA überprüfen zu lassen.

Antonia Schäfer/dpa

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