Digitaler Rangierbahnhof Nord: Die Zu(g)kunft aus München

Uralte Waggons und harte Arbeit: So ist das heute noch am Rangierbahnhof Nord. Doch die Deutsche Bahn will den Güterverkehr deutschlandweit neu organisieren. Und damit hier in Moosach starten.
von  Paul Nöllke
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) beim Koppeln: "Anstrengend".
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) beim Koppeln: "Anstrengend". © Daniel Loeper

München - Der Minister kommt zum Koppeln: In orangener Latzhose und mit Helm macht sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an den Güterwagons zu schaffen. Es zischt, es klickt, es ruckelt und dann sind die Waggons getrennt. "Gut gemacht", ist das Urteil des Rangiermeisters, "schon anstrengend", das des Ministers.

In München soll der modernste Güterbahnhof Europas entstehen

Doch wenn es nach Andreas Scheuer geht, ist diese anstrengende Arbeit bald Geschichte. Ein "Digitaler Rangierbahnhof" soll hier im Münchner Norden entstehen: Ein Vorbild für ganz Europa, erklärt der Minister gestern bei einer Pressekonferenz auf dem Gelände des Rangierbahnhofs München Nord.

Hier soll bald Künstliche Intelligenz (KI) die Kontrolle übernehmen, kaputte Güterwagons erkennen, autonome Loks sollen Waggons automatisch in die richtige Position schieben und eine "Digitale Automatische Kupplung" soll die Züge trennen und wieder verbinden, sodass weder Minister, noch die Rangiermeister noch kuppeln müssen.

Der Güterverkehr wird hier seit 1991 abgewickelt

Seit 1991 gibt es den Rangierbahnhof München Nord in Moosach, unscheinbar versteckt hinter Hügeln und Bäumen. "Der Bahnhof wird hier kaum wahrgenommen, er ist toll integriert", sagt Stephan Pilsinger (CSU), der örtliche Bundestagsabgeordnete, der ebenfalls zum Pressetermin mit dem Minister gekommen ist. Doch genau auf diesem unscheinbaren Bahnhof soll nun ein neues Zeitalter für den europäischen Güterverkehr eingeleitet werden. An der Zeit wäre es.

Auch die Waggons sind noch "wie vor 100 Jahren".
Auch die Waggons sind noch "wie vor 100 Jahren". © Daniel Loeper

70 Prozent aller Güter werden in Deutschland nämlich noch auf der Straße transportiert, nur 18 Prozent kommt über die Schiene. Doch nun, in Zeiten in denen Klimaschutz und Verkehr so stark im Fokus stehen, will die Deutsche Bahn das ändern. Bis 2030 sollen 25 Prozent aller Güter auf der Schiene transportiert werden, so könnten laut Bahn zehn Millionen Tonnen CO2 gespart werden. Doch dazu braucht die Bahn modernere Technik.

Güterbahnhof in München ist bislang Handarbeit

Denn bisher wird auf dem Rangierbahnhof noch fast alles von Hand gemacht: Die Bahner laufen den gesamten Zug entlang, kontrollieren jede Bremse. Sie müssen die 20 Kilo schweren Stahlkupplungen entschrauben und die Waggons auf Schaden kontrollieren: Und das bei jedem Wetter. Ein harter und nicht ungefährlicher Job.

Doch in zwei bis drei Jahren soll alles anders sein. Ferngesteuerte Loks schieben die Waggons dann aufs richtige Gleis, Kameras erkennen mit Hilfe von KI Schäden an den Zügen, die Bremsen werden über Sensoren geprüft. Und die Waggons werden mit automatischen Kupplungen aneinandergehängt. Menschen braucht es in dieser Zukunftsvision nur noch zur Kontrolle.

So soll der Güterbahnhof in Zukunft aussehen

In München soll all das nun erstmal erprobt werden. Denn ganz einfach ist das alles nicht. Gerade weil viele Gerätschaften der Bahn noch recht alt sind, ist es schwierig, sie auf die moderne Technik auszurichten. "In diesen Wagen ist 0,0 Prozent Intelligenz", erklärt ein Angestellter der Deutschen Bahn, als er auf einen der Waggons klopft. "Die sind noch wie vor 100 Jahren".

Doch das ist nicht das einzige Problem: Denn ganz Europa muss bei der neuen Technik mitziehen. Es bringt nämlich nichts, wenn ein Güterzug mit modernster digitaler Kupplung in den Nachbarländern plötzlich nicht mehr benutzt werden kann.

Minister Scheuer gibt sich Bahn-begeistert

Dennoch: Sowohl Minister Scheuer, als auch der Vorstand der Deutschen Bahn für den Güterverkehr, Sigrid Nikutta, sind davon überzeugt, dass diese neue Technik dringend nötig ist: "Schienengüterverkehr ist einer der Schlüssel, um den Klimawandel zu stoppen", wirbt sie.

Moderne Technik, alte Züge: Diese Lok ist von 1969.
Moderne Technik, alte Züge: Diese Lok ist von 1969. © Daniel Loeper

Und Scheuer scheint diese Meinung zu teilen: 14,5 Millionen Euro steckt sein Ministerium in das Bundesprogramm "Zukunft Schienengüterverkehr". Das Paket für die Schienenförderung sei so groß wie nie zuvor. "Es ist wichtig in dem Klimaschutz zu investieren und auch Lösungen aufzuzeigen". Die Deutsche Bahn Cargo investiert derweil rund zehn Millionen Euro in das Projekt.

Gerade München, erklärt Nikutta, sei ein wichtiger Standort für dieses Projekt. "Die Stadt München ist das Tor nach Österreich und Italien", sagt sie. Doch was heißt das Projekt für die Rangiermeister und Angestellten der Deutschen Bahn? Auf Nachfrage weicht man dieser Frage gestern eher aus.

Die Zukunft des  Güterbahnverkehrs

Es sei sowieso recht schwer, Leute für diese harten Tätigkeiten zu finden, auch wenn die Bahn als Arbeitgeber in der Coronakrise etwas Zulauf gehabt habe. Zudem würden für die autonomen Systeme ja auch in Zukunft Mitarbeiter gebraucht werden.

Was in den kommenden Jahren auf dem Rangierbahnhof im Münchner Norden passiert, könnte die Zukunft des Zugverkehrs prägen. Auch wenn das heißt, dass bald sowohl Minister Andreas Scheuer von der CSU als auch Rangiermeister nur noch Zuschauer sind.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.