Dieter Reiter: Der nächste Ude
MÜNCHEN - Wirtschaftsreferent Dieter Reiter profiliert sich als OB-Kandidat der SPD – etwa wenn er Wiesnwirt Sepp Krätz abmahnt. Ach, ja: Anzapfen und dirigieren kann er auch schon...
In seinem Regal, ziemlich genau auf Augenhöhe, finden sich die Münchner Oberbürgermeister: Bücher von Hans-Jochen Vogel und Schorsch Kronawitter und von Vordenkern der Sozialdemokratie. Alle mit dem Gesicht nach vorn, nicht zu übersehen. Darunter lehnt eine alte E-Gitarre an der Wand. „Ich komme leider nicht mehr zum Spielen“, sagt Dieter Reiter (52). Seit eineinhalb Jahren gibt er in diesem Büro als Münchner Wirtschaftsreferent den Ton an, da wird die Freizeit knapper.
Dafür geht es mit Reiter voran. Immer mehr schlüpft er in die Rolle des Kronprinzen: des SPD-Nachfolge-Kandidaten für OB Christian Ude.
Seit Christine Strobl verzichtet hat, sind für die OB-Wahl 2014 nur vier mögliche SPD-Kandidaten im Rennen. Uli Pfaffmann, Alexander Reissl, Brigitte Meier – und eben Reiter, der Senkrechtstarter.
Der Mann hat neuerdings Konjunktur. Als Wirtschaftsreferent verantwortete er die historische Jubel- und Rekord-Wiesn. Und danach hat er sich profiliert, als er Wiesnwirt Sepp Krätz mit energischen Worten eine Abmahnung verpasste, weil der sich schlecht aufgeführt hatte.
Eine öffentliche Kraftprobe mit einem Wiesn-Wirt, das hat was. Und das trauen sich nicht viele. So etwas hat auch Peter Gauweiler berühmt gemacht, als er 1984 den Wirte-Napeolon Richard Süßmeier von der Wiesn warf. Später war Gauweiler übrigens OB-Kandidat. So wie bald Reiter?
Der sagt zu seinem Konflikt mit Krätz: „Da kann man sich nicht verstecken, das ist nicht meine Art. Ich kann als Sozialdemokrat nicht sagen, wir müssen die Würde des Menschen wahren, und dann so etwas durchgehen lassen.“
Reiter hat sich seit April 2009 als Referent für Arbeit und Wirtschaft schon viel Respekt verschafft. Er tritt stark und selbstbewusst auf, er verbreitet natürliche Autorität. Er kann lachen, zuhören und Entscheidungen treffen, wenn andere noch die Folgen fürchten. In ihm steckt auch immer noch der Controller aus der Kämmerei, der er einst war.
Als erstes bekamen dass die Chefs städtischer Unternehmen wie die Stadtwerke zu spüren. Da hat er den mächtigen „Kurti“ Mühlhäuser im Griff, der mit den Stadtwerken nicht nur Hunderte Millionen verdient, sondern auch brav wieder im Stadtrat Rede und Antwort steht.
Beim Flughafen hat Reiter gerade erst den Wirtschaftsbericht zerpflückt, der keine Gewinne auswies. Nach seiner Intervention waren es auf einmal zehn Millionen Euro (von denen der dankbare Freistaat fünf Millionen bekommt, der Bund 2,6 Millionen und die Stadt 2,3 Millionen). Der Messe werden die früher üblichen Millionenzuschüsse gedrosselt. „Das können wir uns einfach nicht mehr leisten.“
Dabei hat er keine Angst anzuecken: „Dann mache ich eben den Bösewicht.“ Hauptsache, es nützt den Münchnern.
Sein Posten ist die ideale Plattform, um bekannt zu werden: Ganz vorne auf der Wiesn, dann kommt er mit Arbeitern und Gewerkschaftern zusammen, mit Managern und Bossen. Er kann mit den Leuten reden: bayerisch.
Wenn er spricht, geht es immer wieder um „Würde“, „Gerechtigkeit“, „sozialdemokratische Tugenden“. Er polarisiert politisch nicht, gibt den Referenten für alle. Da lobt ihn auch schon mal die CSU.
Jetzt nimmt Reiter die OB-Kandidatur ins Visier: „Ich würde nicht Nein sagen.“ Er habe sich „sehr Freude“, als Christian Ude seinen Namen nannte. „Das ist eine Anerkennung meiner Arbeit“. Die beiden hätten über das Thema „noch nicht“ geredet. Behauptet er. „Aber ich kann zwischen den Zeilen lesen.“
Wichtige OB-Qualitäten hat er schon. Er weiß bereits: „Wenn man auf der Wiesn vor 20000 Menschen dirigiert, da läuft einem schon ein Schauer den Rücken runter.“ Und anzapfen kann er auch schon – „das ist“, sagt Ude, die „wichtigste Amtshandlung“ eines OB.
Willi Bock