Dieser Münchner Tierarzt kümmert sich um Exoten: "Ich behandle alles"

AZ-Interview mit Julian Heubeck: Der 44-jährige Kleintier- und Exoten-Tierarzt hat eine Praxis in München.
AZ: Herr Heubeck, Sie behandeln Kleintiere und Exoten...
JULIAN HEUBECK: Genau, vorhin habe ich sechs Karnickel kastriert - und letzte Woche Waschbären. Da fangen für manche schon die Exoten an.
Und für Sie?
Generell behandeln wir alles, von der Schnecke bis zum Elefanten. Ebenso wie Schlangen, Schildkröten oder Vögel: vom Kanarienvogel bis zu großen Greifvögeln. Frettchen zählen vermutlich noch zu den gewöhnlichen Haustieren. Ab dem Stinktier wird es exotisch.
Wie darf man sich eine Schneckenbehandlung vorstellen?
Die Schnecke der Privatperson hatte einen Defekt am Panzer und den haben wir ausgefräst.
Und von einem Elefanten?
Alles: von der Geburtsüberwachung hin zu abgebrochenen Stoßzähnen.
Wie spezialisiert man sich auf Wildtiere und Exoten?
Im Studium lernt man das nicht. Ich persönlich bin familiär vorbelastet: Mein Vater war Tierarzt und hatte ein paar Jahre mit Henning Wiesner, dem späteren Direktor des Münchner Tierparks Hellabrunn, eine Praxis. Dort habe ich ein Praktikum gemacht und eine Bereitschaft übernommen - so bin ich da reingewachsen. Vieles bringt man sich auch selbst bei.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Ich bin ab und zu im Tierpark im Einsatz, mache Narkosen, Operationen, Impfungen und Routinebehandlungen. Im Bärenpark von Bad Füssing betreue ich 16 Tiere - vom Tanzbären hin zum Kettenbär. Auch bei Wildgattern arbeite ich, in meiner Praxis sowieso und auch bei Privatpersonen.
Welche wilden Tiere werden von Privatpersonen gehalten?
Die Verrücktesten! Kängurus, Waschbären oder Stinktiere beispielsweise.

Wie bitte?
Ja, auch Strauße, Nandus und Greifvögel halten einige.
Ist das denn noch artgerecht?
Durch immer schärfere Auflagen oder bauliche Gegebenheiten wird eine wirklich artgerechte Haltung solcher Tiere als Privatperson immer schwieriger. Dadurch hat die Zahl der Wildtiere in Privathaltung eher abgenommen. Was in der heutigen Zeit aber auch völlig in Ordnung geht.
"Ich springe natürlich nicht zum Krokodil oder Hai ins Wasserbecken"
Wie ist das für Sie als Tierarzt?
Solche Haltungen sollten generell nicht gefördert werden. Wenn ein Tier krank ist, möchte ich aber dennoch helfen.

Kann es bei Routinebehandlungen von Wildtieren auch mal brenzlig werden?
Tiere, die sich anfassen lassen, sind kein Problem. Schwieriger wird es, wenn zum Beispiel ein Tiger nichts mehr frisst. Dann muss das Ausschlussprinzip per Kommunikation mit dem Halter her: Seit wann frisst er nichts? Was könnte die Ursache sein? So manche Krankheiten können so ausgeschlossen werden. Und über die Optik: Hat er eine Verletzung? Dann entscheide ich, ob der Tiger in Narkose gelegt werden muss.
Wie machen Sie das bei Haien oder Krokodilen?
Ach, beim Krokodil ist die Behandlung kein Problem. Ich hatte mal eines mit Bissverletzung am Auge - die kann man gut in Narkose nähen. Auch einen Hai mit Hautkrankheit habe ich behandelt, der durch Bäder mit Zusätzen wieder gesund wurde. Man sollte generell natürlich nicht zum Tier ins Wasserbecken springen (lacht).
Auch mit einem Eisbären mit Zahnproblemen hatten Sie schon zu tun...
Und mit vier Braunbären. Aber wenn die aus der Narkose aufwachen, bin ich lang wieder aus dem Gehege draußen. Vorsicht ist lediglich direkt nach der Betäubung gefragt, wenn die Tiere sich hinlegen und schlafen - man aber noch nicht weiß, wie tief.
"Unsere Haustiere haben am häufigsten schlechte Zähne"
Welches Tier hat die schlechtesten Zähne?
Eindeutig unsere Haustiere. Das liegt neben der Maulflora und Speichelzusammensetzung auch sicherlich an der oft nicht artgerechten Ernährung.
Haben die Tierarten unterschiedliche Beschwerden?
Sie haben auf jeden Fall unterschiedliche Körperbereiche oder Organe, wo verschiedene Tierarten anders anfällig sind. Känguruartige oder die Antilopen etwa haben oft Wehwehchen an den Zähnen und Wildkatzen meist am Bauch oder an der Bauchspeicheldrüse. Nashörner haben gerne Fuß- oder Hautprobleme, unsere Hauskatzen dagegen Nierenprobleme und Hunde haben häufig Schwierigkeiten mit ihrer Hüfte - genau wie Bären. Elefanten bekommen ebenso gerne Gelenkbeschwerden.

Woran liegt das?
Oft sind sie genetisch vorbelastet. Bei Elefanten und Bären ist das ein Gewichtsproblem. Vieles hat auch mit der Haltung zu tun, weil sie eben nicht artgerecht in der Wildnis leben, sondern gefangen. Das Klima kann sich auf die Haut auswirken, oder die Ernährung.
An welche Tierbegegnung erinnern Sie sich gerne?
Wir haben mal den Elefanten aus dem Hannibal-Film behandelt, der Stoßzähne von 1,50 Metern und einen kaputten Zahn hatte. Das war imposant.
Wo liegt Ihre Schmerzgrenze?
Es gibt im Prinzip kein Tier mehr, das ich nicht behandeln würde. Einmal wurde ich vom Trampeltier getreten und konnte eine Woche lang nicht laufen, das kann passieren.