Diesen Fisch will niemand essen - oder doch?

Auf dem Tollwood fischelt’s: Bei „Fietes Fisch“ gibt’s Delikates aus dem Meer – kaufen kann man hier nichts, soll man ja auch nicht.
Sophie Anfang |
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Zwei künstlerische Fischverkäufer (v. l.): Fotograf Miroslav Menschenkind und Illustrator Andi Knospe vor „Fietes Fisch“.
Bernd Wackerbauer Zwei künstlerische Fischverkäufer (v. l.): Fotograf Miroslav Menschenkind und Illustrator Andi Knospe vor „Fietes Fisch“.

München - Vor „Fietes Fisch“ direkt am Eingang des Tollwood-Festivals hat sich eine kleine Menschentraube gebildet, Jugendliche, etwa 14 Jahre alt. Ungläubig starren sie in die Auslage mit Ölwattwürmern, „Gesundheits-Shrimps“ und Meerbarben mit Mikro-Plastik. „Sind die echt?“, fragt Zahnspange eins. „Nee, aus Plastik“, sagt Zahnspange zwei. „Boah, ich check’s nicht!“, quietscht die Erste.

Hinter der Verkaufstheke sitzen zwei Männer, das Treiben vor ihrem Stand beobachten sie mit einer Mischung aus Belustigung und Ratlosigkeit. Miroslav Menschenkind (39), der Kuscheltier-Schlachter vom Winter-Tollwood und Illustrator Andi Knospe (40) haben „Fietes Fisch“ entworfen.

 

„Fiete“ zeigt, was bei der Fischproduktion heute falsch läuft

 

Es ist ein Kunstprojekt, das auf das schmutzige Geschäft mit Fisch aufmerksam machen soll. In „Fietes“ Auslage liegt die unangenehme Wahrheit moderner Fischproduktion: Shrimps, die in Zuchtbetrieben im Übermaß mit Antibiotika gefüttert werden oder Ölwattwürmer, ein Beiprodukt der Rohölförderung in der Nordsee. Bei Menschenkind und Knospe sind die Fische nicht echt, sondern aufklärerische Kunstobjekte, um mit den Tollwood-Besuchern ins Gespräch zu kommen.

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Nur mit dem Verständnis, da hapert’s oft. Was der „Dawarmafisch“ sein soll, verstehen die wenigsten auf Anhieb. Die Überfischung der Meere ist in Bayern kein präsentes Thema. Auch die Zahnspangen-Truppe zieht nach ein paar Minuten ungläubigen Staunens weiter.

Menschenkind hatte mit seinen Würsten aus Kuscheltieren im Winter stark polarisiert. Mit den Fischen sei das anders. Fleisch sei präsenter, die Leute hätten sich durch die Kuschelwurst angegriffen gefühlt. „Hier sind die Leute eher enttäuscht, dass es am Stand doch nichts zu essen gibt.“

 

Mit einem echten Fischladen wären die Künstler schon reich

 

Mit einem echten Fischladen, sagt er, hätten sie wahrscheinlich schon ein kleines Vermögen gemacht.

Ein Herr mit Brille und etwas nachlässiger Rasur ist dafür ein gutes Beispiel. „Habt ihr auch Matjes?“, fragt er. Den esse er nämlich so gern. „Nee, haben wir leider nicht“, sagt Knospe. „Kriegt ihr den mal wieder?“ – „Du, das kann ich dir nicht sagen.“ Manchmal, sagt Knospe, als der Matjes-Fan wieder weg ist, habe er auch keine Lust auf lange Erklärungen.

Es gibt andere Momente. Zum Beispiel als eine Mutter mit ihrem Sohn vor der Auslage steht und ihm erklärt, was es mit den Ölbohrungen auf sich hat. Manchen Besuchern sieht man es nach ein paar Minuten richtig an, wie aus Verwunderung Verständnis wird.

An diese Besucher verteilen Menschenkind und Knospe Flyer von Greenpeace, etwa den Einkaufsführer für Fisch. Das hat nicht immer den gewünschten Effekt. Eine Frau habe das Heft durchgesehen und gemeint, bei ihr gebe es am Abend Dorade, erzählt Menschenkind. Dieser ist in dem Flyer rot markiert, also bedroht. Als die Frau das gesehen hat, habe sie Menschenkind den Flyer einfach wieder zurückgegeben. Da kann selbst „Fietes Fisch“ nicht helfen.

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