Diesel-Fahrverbot: Luft in München ist zu giftig – wie die Stadt jetzt reagiert

München - Die Zustimmung war groß, als der Stadtrat im vergangenen September entschieden hatte, die zweite Stufe des Diesel-Fahrverbots nicht zu zünden. Diese zweite Stufe sah vor, dass ab 1. Oktober 2023 auch Euro-5-Diesel die Umweltzone nicht mehr befahren dürften, wenn der Stickstoffdioxid-Grenzwert von 40 µg/m³ in München von Februar bis Juli überschritten wird.
Das war auch der Fall, trotzdem entschied die Stadt sich gegen Stufe zwei. Die Basis dafür war eine in Auftrag gegebene Prognose zur Entwicklung der Stickstoffdioxidbelastung der Münchner Luft. Die sagte einen Jahresdurchschnitt von 41 oder 42 µg/m³ voraus.
Aktuelle Zahlen: Stickstoffdioxidbelastung an der Landshuter Allee in München immer noch groß
Wie aktuelle Zahlen des Bayerischen Landesamts für Umwelt nun aber zeigen, waren diese Prognosen wahrscheinlich doch zu optimistisch: Die vorläufigen Ergebnisse zur Messstation an der Landshuter Allee zeigen einen Jahresmittelwert von 45 µg/m³.
"Absehbar" sei diese Stagnation der Stickstoffdioxid-Belastung gewesen, findet die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die im vergangenen Oktober beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen die Entscheidung der Stadt Klage eingereicht hat.

Umwelthilfe: OB Reiter hat Münchner "vorsätzlich eine Gesundheitsbelastung ausgesetzt"
Die DUH kritisiert Grün-Rot scharf: "Damit hat die Münchner Regierungskoalition auf die explizite Anordnung von Oberbürgermeister Dieter Reiter, alle Münchnerinnen und Münchner vorsätzlich einer zusätzlichen Gesundheitsbelastung ausgesetzt", so Robin Kulpa, der stellvetretende Bereichsleiter Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH.
Die Umwelthilfe sieht sich durch die vorläufigen Messwerte des Freistaats in ihrer Argumentation vor Gericht gestärkt. "Wäre die Stadt München nicht so zögerlich vorgegangen, hätte die Stufe zwei zum vereinbarten Zeitpunkt in Kraft gesetzt und weniger Ausnahmegenehmigungen erteilt, so könnte die Belastung schon heute unterhalb des Grenzwertes liegen", so Kulpa.
Bis eben war aus München nur der vorläufige Jahresmittelwert vom Bayerischen Landesamt für Umwelt bekannt – und der ist noch nicht endgültig. Die endgültige Jahresprüfung sei "bis spätestens Ende Mai abgeschlossen", heißt es in dem Bericht.
Stadt liefert Zahlen zur Luftqualität
Nun ist es auch seitens der Stadt amtlich: Die Prognosen zu den Stickstoffdioxid-Werten in der Münchner Luft waren zu optimistisch. Die Prognose vom Sommer, wonach im Jahr 2023 an der Landshuter Allee ein Jahresmittelwert von 41-42 µg/m³ zu erwarten wäre, war falsch: Es sind 45 µg/m³ – also 5 µg/m³ über dem erlaubten Grenzwert.
Die optimistische Prognose war für die Stadt die Grundlage, um die zweite Stufe des Dieselfahrverbots im vergangenen Oktober nicht in Kraft treten zu lassen. Das wäre auf Basis der Messwerte eigentlich vorgesehen gewesen.
Neben der Landshuter Allee ist mit der Moosacher Straße ein zweiter Messpunkt über dem erlaubten Grenzwert: Dort sind 2023 im Jahresmittel 42 µg/m³ gemessen worden. Die Moosacher Straße ist ein Hotspot, der neu dazugekommen ist. Die Stadt vermutet, dass Ausweichverkehr wegen des Dieselfahrverbots Schuld daran sein könnte. Besser wurde die Luft hingegen an der Tegernseer Landstraße: Nach Grenzwertüberschreitungen in den Jahren zuvor lag das Jahresmittel 2023 dort mit 39 µg/m³ zum ersten Mal unter dem Grenzwert.
Bereits im vergangenen Oktober hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen den Entscheid der Stadt, die zweite Stufe auszusetzen, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Klage eingereicht. Die Klage wird am 14. März mündlich verhandelt.
Die Stadt will derweil im April prüfen, ob weitere Maßnahmen notwendig "und welche gegebenenfalls verhältnismäßig sind". Zurzeit werde auf Basis der Messwerte von 2023 eine Prognose für die Jahre 2024 bis 2026 erstellt.