Diesel-Fahrverbot in München: Wo die Schadstoff-Belastung seither sogar zunimmt

Am kommenden Mittwoch entscheidet der Stadtrat, ob die zweite Stufe des Münchner Diesel-Fahrverbots in Kraft tritt. Die Vorlage dazu birgt Zündstoff.
von  Jan Krattiger
Die erste Stufe des Diesel-Fahrverbots in München gilt seit dem 1. Februar 2023.
Die erste Stufe des Diesel-Fahrverbots in München gilt seit dem 1. Februar 2023. © imago/Ulrich Wagner

München - Die drei großen Münchner Parteien SPD, Grüne und CSU sind sich im Grunde einig: Die zweite Stufe des Diesel-Fahrverbots, die am 1. Oktober 2023 in Kraft treten sollte, braucht es nicht. Geht es nach der CSU, würde sogar die erste Stufe wieder zurückgenommen.

Nun zeigt ein Blick in die Stadtratsvorlage, die für den Entscheid am Mittwoch die Grundlage darstellt und die seit Freitag öffentlich einsehbar ist: Den Entscheid, die zweite Stufe am 1. Oktober nicht zu zünden, steht auf ziemlich wackeligen Füssen.

Diesel-Fahrverbot: Wo die Schadstoffbelastung in München sogar steigt

Die Stadt hält in ihrer Erklärung auf ihrer eigenen Webseite zum einen unmissverständlich fest: "Die jeweils nächste Stufe tritt nur dann in Kraft, wenn bis dahin der Stickstoffdioxid-Jahresgrenzwert in München nicht an allen Streckenabschnitten eingehalten werden kann."

Das ist aktuell an zwei Stellen nicht der Fall, wie neuste Zahlen zeigen: An der Landshuter Allee beträgt das laufende Mittel 2023 44 µg/m3 (1.1. bis 16.7.), an der Moosacher Straße 10 sind es 41 µg/m3 (dazu später mehr). Erlaubt wären aber nur 40 µg/m3. 

Die Prognose sieht zwar für die vier "Hotspots" (Landshuter Allee, Landshuter Allee Nord, Tegernseer Landstraße und Leuchtenbergring) gut aus. Aber es sind nur: Prognosen. Die geltende Verordnung sieht einen Automatismus für die Stufen zwei und drei vor, wenn nicht alle Grenzwerte unterschritten werden. 

In der neuen Vorlage wird außerdem vorgerechnet: Der Messwert an der Landshuter Allee habe sich zwar um 5 µg/m3 verbessert, daran sehe man auch die Wirkung des Fahrverbots. Es liegt aber "weiterhin eine Grenzwertüberschreitung vor, so dass eine Rückabwicklung der Maßnahmenstufe 1 nicht zulässig ist". Schlechte Nachrichten also für die CSU, die das fordert. 

Diesel-Fahrverbot on München Stadtrat will zweite Stufe verschieben

Rätsel geben dem Referat für Klima- und Umweltschutz die oben bereits erwähnten Werte an der Moosacher Straße auf. Dieser Messpunkt wurde "zur Beobachtung der Ausweichstrecken eingerichtet" und zeigt stark schwankende Werte, die aber seit April durchgehend und auch schon einigen Kalenderwochen zuvor den Grenzwert überschreiten. Für den aktuellsten Wert von 53 µg/m3 im Mai musste die Tabelle sogar wieder dunkelrot eingefärbt werden.

Für die Verwaltung noch ein Rätsel, "ob dies auf eine lokale, temporäre Besonderheit" zurückzuführen sei. Die Situation werde weiter "intensiv beobachtet, so dass bei Bedarf kurzfristig durch verkehrssteuernde Maßnahmen eine Verbesserung" herbeigeführt werden könne. 

Interessant ist dann, welche Schlüsse das Umweltreferat aus seinen Analysen zieht:

  • Gäbe es keine Ausnahmen, würde bereits die erste Stufe des Diesel-Fahrverbots dafür sorgen, dass schon 2023 die Grenzwerte eingehalten würden.
  • Der Grenzwert an der Landshuter Allee kann in Stufe eins im Jahr 2023 noch nicht eingehalten werden.
  • 2024 soll der Grenzwert von 40 µg/m3 an allen vier Messstationen eingehalten werden.

Was an der Moosacher Straße passiert, wird nicht weiter diskutiert. Auch nicht in der rechtlichen Abwägung, die analysiert ob die zweite Stufe des Fahrverbots im Oktober kommen müsste oder nicht – die befasst sich nämlich nur noch mit den vier ausgewiesenen "Hotspots".

Das Umweltreferat kommt zum Schluss: Eine Verschiebung der Stufe zwei wäre möglich, dazu brauche es aber eine "Neubewertung und Beschlussfassung durch den Stadtrat". Und eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. Die zweite Stufe käme dann, wenn überhaupt, im Mai 2024.

Ob der Stadtrat diesem Prozedere folgen möchte, wird sich am kommenden Mittwoch zeigen. 

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