"Diese Leute haben nichts mit Street Art zu tun"

München - Sebastian Pohl, der Künstlerische Leiter von "Positive Propaganda", stellt den Sinn des MUCA-Museums infrage.
AZ: Ein Street-Art-Museum in München – endlich! Oder?
SEBASTIAN POHL: Der Ansatz ist gut, der museale Gedanke richtig und wichtig. Aber man muss sehen, wer das macht: Leute, die im Grunde nichts mit der eigentlichen Street-Art-Bewegung zu tun haben.
Warum ist das schlimm?
Es gibt weltweit höchstens zehn Künstler, die noch wirklich Street Art machen – zum Beispiel Banksy oder Shepard Fairey. Alles Andere ist eher illustratives Graffiti oder kommerzielle Urban Art. Das meiste, was heute Street Art genannt wird, sind schöne Bilder.
Und das lehnen Sie ab.
Das ist eben Deko. Hübsche Gesichter verkaufen sich gut. Aber der inhaltliche Ansatz von Street Art ist ein anderer: Es geht den Akteuren um gesellschaftsrelevante Themen. Und wir als Kunstverein haben die Aufgabe, zu dokumentieren, welcher Künstler langfristig und unabhängig von privaten Interessen relevant sein wird.
Das ist ja auch die Idee des MUCA-Museums: die Street Art "in den zeitgenössischen Kunstdiskurs einfügen".
Ich finde, man sollte ein Museum mit Werken noch lebender Künstler wie Banksy oder Shepard Fairey nur machen, wenn man mit denen tatsächlich auch zusammenarbeitet.
"2019, 2020 rummst es!"
Das klingt aber auch elitär.
Naja. Direktes Wissen ist doch besser als die x-te Weiterinterpretation von jemandem, der was darüber gehört oder gelernt hat und in seiner Interpretation oft primär kommerzielle Interessen verfolgt. "Positive Propaganda" plant gerade eine solche Ausstellung in einem Münchner Museum.
In welchem denn?
Kann ich noch nicht sagen. Aber 2019, 2020 rummst es!
Wenn eine Bewegung populär wird, hat sie ja naturgemäß das Problem: Wie bleibt sie sich trotzdem treu?
Ich denke die meisten der relevanten Akteure sind sich bis heute treu geblieben. Aber es gibt eben genrefremde Personen, die sich am Erfolg dieser jungen Subkultur bereichern wollen – sei es durch Kunsthandel, dilettantische Publikationen oder sogenannte Street-Art-Touren von London über Berlin bis München.
Ist Street Art wie Punk: tot?
Das Problem ist, dass sich viele Menschen erst für Dinge interessieren, wenn man einen Rahmen drum macht. Dann ist es nur oft zu spät. Street Art ist lukrativ geworden und leicht zugänglich. Darum generieren Galeristen und Kunsthändler sich Pseudo-Street-Art-Künstler. Weil es sich lohnt.
Banksy sind auch nicht arm.
Die Renommierten machen natürlich Geld mit ihrer Arbeit. Aber sie stecken es wieder in neue Arbeiten und Projekte.
Ihr Verein bekommt Geld von der Stadt München.
Wir werden institutionell gefördert, ja. Das und unsere langjährige ehrenamtliche Arbeit geben uns und damit der Stadt die Möglichkeit, Projekte mit Künstlern zu realisieren. Auch, weil es Politiker gibt, die sich für unkonventionelle Kulturprojekte einsetzen wie Josef Schmid. Da haben wir Glück!
Wie finden Sie es, dass Schmid das Museum eröffnet?
Als Bürgermeister sieht er sicher die Relevanz des ersten Urban-Art-Museums – und ist optimistisch, was den nachhaltigen kulturellen Wert angeht. Ich fand interessant, dass unser Verein nicht eingeladen wurde.
Wären Sie hingegangen?
Als Leiter eines Kunstvereins schaue ich mir natürlich an, was in München passiert. Und wünsche Herrn Utz viel Glück mit dem, was er vorhat.