Diese Häuser will die Stadt München doch nicht mehr kaufen

Um Mieter zu schützen, erwarb die Stadt für viele Millionen Häuser. Das ist nun rechtswidrig. Folgen hat das auch für Bewohner, die sich schon sicher gefühlt haben.
von  Christina Hertel
Das Haus an der Balanstraße 31. Die Mieter fürchten, dass die Stadt es nun doch nicht kaufen will.
Das Haus an der Balanstraße 31. Die Mieter fürchten, dass die Stadt es nun doch nicht kaufen will. © Myriam Siegert

München - "Herr Reiter, werden Sie VorReiter! Verehrte Stadträtinnen und Stadträte, werden Sie MitstReiter:innen!" Mit vielen Wortspielen meldet sich die Hausgemeinschaft aus der Balanstraße 31 in einem offenen Brief zu Wort. Doch so einfach dürfte das für den Oberbürgermeister und seinen Stadtrat nicht werden.

Die Praxis entspricht nicht dem Recht

Die Bewohner sind alarmiert, weil die Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzen und die Immobilie kaufen wollte, bevor diese an einen Investor geht. Doch seit Kurzem ist klar, dass diese Praxis nicht dem Recht entspricht. Städte können nur dann ein Vorkaufsrecht nutzen, wenn es sich um "Schrottimmobilien" handelt, die kaum bewohnt sind.

Das hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geurteilt. Und das hat auch Folgen für München: Die Stadt wird deshalb an der Balanstraße und vier weitere Wohngebäude an der Ohlstadter Straße, Gabelsbergerstraße, der Milchstraße und der Griegstraße nicht kaufen. So geht es aus einer nicht-öffentlichen Beschlussvorlage hervor, über die der Stadtrat am Mittwoch abstimmt und die der AZ vorliegt.

Auch einige weitere Bewohner könnten sich zu früh gefreut haben, dass die Stadt sie vor Spekulanten rettete. Denn fünf Fälle, in denen die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausübte, sind noch nicht bestandskräftig. So geht es aus den nicht-öffentlichen Unterlagen hervor. Das heißt, die Klagefrist ist noch nicht abgelaufen - und womöglich ist das Vorkaufsrecht nicht gültig.

Keine Erfolgsaussichten vor Gericht

Bei der Westendstraße 5 und Georgenschwaigstraße 26 gebe es keine Erfolgsaussichten vor Gericht, schreibt das Kommunalreferat. Im "worst case" könnten begründete Schadenersatzansprüche entstehen. Das Referat empfiehlt deshalb, das laufende Verfahren zu beenden.

Das Kommunalreferat von Kristina Frank (CSU) empfiehlt nicht mehr, Häuser zu kaufen. (Archivbild)
Das Kommunalreferat von Kristina Frank (CSU) empfiehlt nicht mehr, Häuser zu kaufen. (Archivbild) © ho

Auch die Käufe der Immobilien am Frankfurter Ring, an der Agnesstraße 48 und Ligsalzstraße 35 sind laut den Unterlagen noch nicht bestandskräftig. Doch hier sei eine tiefergehende juristische Prüfung notwendig, bevor die Folgen des Urteils abschließend kommentiert werden können.

In öffentlicher Sitzung soll der Stadtrat am Mittwoch außerdem entscheiden, bei überwiegend vermieteten Wohngebäuden bis auf Weiteres eine Ausübung des Vorkaufsrechts grundsätzlich nur noch in Einzelfällen vorzunehmen. So empfiehlt es das Kommunalreferat.

Offener Brief an die Münchner Stadtspitze

Die Hausgemeinschaft aus der Balanstraße appelliert in ihrem offenen Brief an die Stadtspitze, trotzdem für die Vorkaufsrechte zu stimmen. Holger Gunkel, der seit 1998 in dem Haus wohnt, sieht darin ein starkes politisches Signal. Er fordert, dass die Politik mutiger sein müsse und nicht nur mit einem Achselzucken auf das Urteil reagieren dürfe.

Mit Mut habe das jedoch wenig zu tun, sagt Grünen-Chefin Anna Hanusch. Das Gericht habe aus ihrer Sicht deutlich gemacht, dass Vorkaufsrechte nicht mehr so ausgeübt werden können, wie es üblich war. Alleine 2021 übte München in elf Fällen das Vorkaufsrecht aus und kaufte für fast 90 Millionen Euro Wohnhäuser. "Es blutete einem das Herz, dass das nicht mehr möglich ist", sagt Hanusch.

Die SPD-Stadträtin Kathrin Abele und der Fraktionschef der Linken im Stadtrat sind ebenfalls über das Urteil entsetzt. Dringend müsse nun die neue Bundesregierung handeln, fordert Stefan Jagel. Auch Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) appelliert an die neue Regierung, so schnell wie möglich ein neues Gesetz zu erlassen. Dafür müsse sich nun die Stadt einsetzen.

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