Diese Frau hat Buch-Verbot
MÜNCHEN In dieser Stadt gibt es eine Dame, die sich ausgesperrt fühlt. Anita Schricker ist ihr Name, sie trägt lilafarbene, verwaschene Klamotten, ist Hausfrau – und darf Hugendubel nie wieder betreten.
Eine dubiose Geschichte steckt hinter dem Hausverbot, eine widersprüchliche.
Ein bisschen wie ein Zuhause ist die Hugendubel-Filiale am Stachus für Schricker, jeden Tag kommt sie hier her – seit über einem Jahr schon. Bücher kaufen tut sie nicht, setzt sich lieber auf die roten Sessel und liest über Kreislaufkrankheiten und Leberzirrhosen.
Am 2. Februar steht die 58-jährige Schricker vor den Bücherregalen im zweiten Stock. Da, wo sie immer ist, da, wo die Medizinbücher stehen.
Auf sie zu kommen zwei Herren in Zivilklamotten: Ladendetektive. Dass sie mit ins Büro kommen soll, sagen sie. Dort wird ihr ein fünf monatiges Hausverbot erteilt. Die Begründung: Schricker würde in der Filiale essen.
„Dabei habe ich noch niemals drinnen gegessen!”, beteuert Schricker. Sie esse zwar stets ein Stück Schokolade, im Eingangsbereich, allerdings, bevor sie zu den Büchern ginge.
Das Hausverbot will sie nicht akzeptieren, es scheint ihr nicht gerechtfertigt. „Weil ich mich weigerte, das Verbot zu unterschreiben, wurde der Filialleiter dazu geholt. Der sagte dann, ich dürfte nie wieder eine Hugendubelfiliale betreten”.
Ein aus der Luft gegriffenes Verbot? Die AZ fragt bei Hugendubel nach.
„Frau Schricker hat sich mehrfach unakzeptabel verhalten”, sagt eine Sprecherin. Sie habe fettige Wurst gegessen und mit ihren öligen Fingern die Ware beschädigt. Außerdem habe sie benutzte Taschentücher in die Bücherregale gestopft. „Die Mitarbeiter der Filiale haben Frau Schricker mehrfach angesprochen, und sie gebeten, dies zu unterlassen”, heißt es weiter. Auf die Gesprächsversuche habe die Dame nur ruppig reagiert und keinerlei Kooperation gezeigt. „Sie haben mir gar nichts zu sagen”, war wohl eine ihrer Äußerungen.
Ob sie auch am besagten 2. Februar fettige Wurst aß? Da muss die Sprecherin passen: Als die Detektive kamen, hatte Schricker kein Essen bei sich. Dafür lagen im Regal aber ihre Taschentücher.
„Bei dem Gespräch mit den Detektiven wurde Frau Schricker wütend, aggressiv und wollte das Hausverbot nicht akzeptieren. Hugendubel hatte also jedes Recht, sie aus der Filiale zu verweisen”, sagt die Sprecherin.
So weit, so widersprüchlich. Die AZ konfrontiert Schricker mit den Vorwürfen. „Das ist alles nicht wahr!”, sagt sie. Von den Taschentüchern über die Gespräche bis zur fettigen Wurst: Alles sei erlogen. Sie glaubt, dass Hugendubel nur nach einer Ausrede suchte. In Wahrheit sei es ihnen nicht recht, wenn Menschen nur des Lesens – und nicht des Kaufens – willen kommen.
„Das ist Unfug”, sagt die Sprecherin. Leseräume schaffen – das sei Teil der Unternehmensphilosophie. „Bei Hugendubel darf jeder so lange und so oft lesen, wie er möchte”, heißt es. Es gäbe auch keine inoffiziellen Beschränkungen. Frau Schricker sei allein wegen ihres unangebrachten Verhaltens ein Hausverbot erteilt worden.
Es bleibt also dabei: Anita Schricker ist ausgesperrt – ob zu Recht oder nicht, ist wohl eine Glaubensfrage.
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