Die Zukunft der Arbeit: Wie Arbeitgeber in München am Fachkräftemangel und der Gen Z verzweifeln

München - Karrieresprung? Beförderung? Das sollte eigentlich für jeden ein Grund zur Freude sein. Doch als Annika Keilhauer, Geschäftsführerin der Münchner Agentur "Wächter PR", ein Mitglied ihres Teams auf die nächste Hierarchiestufe befördern wollte, lehnte es ab.
"Das Mitglied hat gesagt, es möchte den Titel nicht, und wir sollten das auch nicht nach außen kommunizieren, weil das auch eine Gegenleistung von ihm erfordert hätte, etwa mal nach dem eigentlichen Dienstschluss arbeiten oder andere Aufgaben übernehmen."
Kommen aus der Gen Z "die illoyalsten Jobber aller Zeiten"?
Diese Verantwortung scheute der junge Mensch – altersbedingt Angehöriger der sogenannten Gen Z, die meist ungefähr zwischen den Geburtsjahrgängen 1996 und 2009 verortet wird. Diese ist in der Arbeitswelt, obwohl gerade erst dort angekommen, schon berüchtigt, heißt es doch, sie seien "die illoyalsten Jobber aller Zeiten", wie eine Studie des Karrierenetzwerks Xing im Frühjahr feststellte.
Sie seien häufiger offen für einen Jobwechsel und suchten öfter aktiv nach einer neuen Stelle als frühere Generationen, so die Autoren. Die Gründe? Vor allem Unzufriedenheit mit dem Gehalt und ein als zu hoch empfundenes Stresslevel. Letzteres bewog wohl auch das Teammitglied von Annika Keilhauer, die größere Verantwortung abzulehnen. Mit dieser Zurückhaltung "tut man sich aber keinen Gefallen", sagt die Geschäftsführerin.
Agentur-Geschäftsführerin Annika Keilhauer: "Von der Gen Z heißt es oft: 'Da habe ich nicht so Lust drauf'"
Die spannendsten Projekte ergäben sich, wenn man Themen über verschiedene Bereiche hinweg bearbeite, und dahin komme man nicht auf der ersten Stufe der Karriereleiter.

Mit jungen Menschen habe ihre Agentur viel Erfahrung, sagt die 43-Jährige. Seit Jahrzehnten bildet Wächter aus und kennt durch die Kunden aus verschiedensten Branchen auch aus deren Sicht die Probleme mit dem Fachkräftemangel. "Die Gen Z hat eine sehr konkrete Wunschliste, wie Arbeit und Arbeitgeber zu sein haben", hat Keilhauer beobachtet.
Dabei handele es sich meist um eine "Ausschlussliste", die schon vor dem eigentlichen Bewerbungsgespräch abgefragt werde. So bedeute etwa Projektarbeit auch für erfahrene Berater viel Handwerk, die Erstellung von Exceltabellen oder logistische Planung. "Da heißt es von der Gen Z oft: 'Da habe ich nicht so Lust drauf. Ich will echte Projektarbeit machen.' Dann denke ich: Warum willst du PR-Berater werden?"
Fehlerhafte Bewerbungen – doch selbst Werkstudenten sind sich für manche Arbeit zu schade
Keilhauer sieht eine Selbstüberschätzung der Bewerber: "Die wollen nicht flache Hierarchien, die wollen gleich oben in der Hierarchie einsteigen." Auch bei Werkstudenten falle schon der Satz "Dafür bin ich mir zu schade. Ich habe einen Master". Gleichzeitig, so die Geschäftsführerin, "strotzen die Mails aber vor Rechtschreibfehlern".
Zu Keilhauers Erfahrungen passen die Ergebnisse einer Studie, die 2020 unter anderem von Forschern der Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg durchgeführt wurde. Demnach messen sieben von zehn Jobkandidaten der Gen Z ihrer Work-Life-Balance einen hohen Stellenwert bei.
Urlaub, Sabbatical, Fitnessstudio: Bewerber fordern immer mehr Benefits
Ebenso viele halten gesundheitsfördernde Maßnahmen eines Unternehmens für entscheidend für dessen Attraktivität. Vier von zehn Kandidaten würden ein Stellenangebot ablehnen, wenn kein Homeoffice angeboten wird.
"Benefits werden stark nachgefragt", bestätigt Keilhauer. Ob Urlaub, Möglichkeit eines Sabbaticals oder Mobilitätsförderung, all das werde von Bewerbern abgefragt. "Es wird auch offen kommuniziert, dass man mehrere Bewerbungen laufen hat. Dann heißt es, die andere Agentur zahlt das Fitnessstudio, und was macht ihr so?"
Diversität und Inklusion stehen auf der Prioritätenliste der Gen Z ganz oben
Wichtiger als das Homeoffice seien der Gen Z aber Diversität und Inklusion, ergab eine Studie des Personalvermittlers Randstad, die "Randstad Employer Brand Research", die im September veröffentlicht wurde. 41 Prozent gaben an, dass dies für sie eine große Rolle spiele.
Auch gesellschaftliches Engagement ist den Jungen mit 39 Prozent wichtig, ein höherer Wert als bei den Generationen X und Y, aber weniger als bei Boomern. "Unternehmen, die sich ihre gesellschaftliche Rolle nicht bewusst machen, könnten den Anschluss an nahezu eine komplette Generation potenzieller Arbeitnehmender verlieren", kommentierte Carolin Herbst, Group Director Human Resources bei Randstad Deutschland.
Arbeitgeber verzweifeln am Umgang mit der Gen Z
Dabei gibt es auch in diesem Bereich Greenwashing, also Schummler, die gar nicht so nachhaltig agieren, wie sie tun, hat Annika Keilhauer beobachtet. So habe eine andere Agentur mit "Agenturbienen" das eigene Umweltengagement belegen wollen. Dann aber habe sich herausgestellt, dass lediglich für einen Hobbyimker außerhalb der Stadt auf der Weihnachtsfeier gespendet worden sei. "Da wird viel konstruiert."
Viele Arbeitgeber verzweifelten am Umgang mit der Gen Z, sagt Generationenforscher Rüdiger Maas der AZ. Maas ist Gründer und Vorstand des Augsburger Instituts für Generationenforschung. Die Arbeitgeber fingen an, "Opportunitätskosten" einzuplanen – also entgangenen Nutzen, denn in die Gen Z "stecken sie viel rein, aber die sind nicht treu".

Dabei seien Arbeitskräfte rar, und es gebe die Überlegung, "wenn ich den Bewerber nicht nehme, entsteht eine Lücke". Sein Rat: Wer Ältere zurückholen kann, könne sie zur "Überbrückung" einstellen. Die Erfahrung der Gen Z sei, dass sich ihr Leben lang alles um sie gedreht habe.
"50 Prozent machen Abitur, jeder schafft irgendwas und wird nie herausgefordert." Die Bildungspolitik habe dieser Generation zu viel ermöglicht. Die nachfolgende Generation Alpha werde in dieser Hinsicht noch schwieriger.
Proberichterin Katrin Schäffer: "Ich kann Erfahrungsschatz der älteren Kollegen profitieren"
Vor einer Art digitaler Anbiederung an die Jungen warnt Maas die Arbeitgeber jedoch. "Die Jungen sehen die Arbeitswelt sehr analog", sagt der Generationenforscher. Die Älteren "haben Digitales aus Effizienzgründen genutzt, die Jungen aber kennen gar keine Welt mehr ohne". Arbeit bedeute für sie physische Anwesenheit. Wenn eine digitale Besprechung wie in ihrer Freizeit auch Teil der Arbeit sei, werde das als Grauzone empfunden, die die Gen Z nicht wolle – die eigentlich analoge Arbeit werde mit der Freizeit, die digital geprägt ist, vermischt.
Eine, die dem Klischee der Gen Z so gar nicht entspricht, ist Katrin Schäffer. Sie ist Jahrgang 1995 und seit vergangenem September Proberichterin am Landgericht München I, eine von vier Angehörigen der Gen Z in der Richterschaft am Gericht. Sie hat eine 75-Prozent-Stelle, zudem schreibt sie an ihrer Doktorarbeit. Innerhalb des Gerichts spiele ihr Alter "intern überhaupt keine Rolle", sagt Schäffer der AZ. Es gebe ein sehr gutes Miteinander. "Ich würde im Gegenteil sagen, dass man sich gegenseitig bereichern und vom reichen Erfahrungsschatz der älteren Kollegen profitieren kann."

Gen Z erobert das Landgericht München: "Leute sind überrascht, eine junge Richterin zu sehen"
Im Freundeskreis oder im beruflichen Alltag mit Anwältinnen und Anwälten sei es etwas anders: "Natürlich sind die Leute hin und wieder überrascht, eine junge Richterin zu sehen." Das kläre sich aber schnell in den Sitzungen. "Das ist auch gar kein Thema, wenn man sich gut vorbereitet." Wie steht die junge Richterin zu den Vorurteilen gegenüber ihrer Generation? Das komme auf die Person und den beruflichen Kontext an, findet Schäffer.
Für ihren beruflichen Alltag könne sie die Vorurteile nicht bestätigen: "Wir haben einen sehr verantwortungsvollen Job." Zwar gebe es keine festen Arbeitszeiten, doch werde so viel gearbeitet, wie es erforderlich sei, um die Arbeit sehr gut zu machen. Ein Unterschied zu älteren Kollegen sei aber, "dass wir digital natives sind", also mit digitalen Medien aufgewachsen. Der Umgang mit der E-Akte etwa falle dann leichter. "Hier kann man auch mal eine Hilfe sein. Jeder profitiert von den Erfahrungen des anderen."