Die zauberhafte Welt der „La Folie“

Was machen Künstler im GOP vor, während und nach dem Auftritt? Die AZ durfte dabei sein
von  Abendzeitung
Verwandlung in dreißig Minuten: Ihr Make-Up hat sich Comedy-Künstlerin Amélie Venisse selbst ausgedacht.
Verwandlung in dreißig Minuten: Ihr Make-Up hat sich Comedy-Künstlerin Amélie Venisse selbst ausgedacht. © daniel von loeper

Was machen Künstler im GOP vor, während und nach dem Auftritt? Die AZ durfte dabei sein

Vor der Show hasst du die Show. Nach der Show? Da liebst du sie einfach", sagt Fleeky (27). Der Kalifornier mit den quietschroten Zottelhaaren tritt im GOP Varieté-Theater als Handstand-Equilibrist und Kontorsionist (Verrenkungskünstler) auf. Seit zwei Wochen läuft dort das Programm „La Folie“. Das Motto: Verrücktheit als Lebensgefühl. Die AZ durfte in der zauberhaften Welt der Ausgefallenheit dabei sein – ein Abend hinter den Kulissen:

18.10 Uhr: Regiebesprechung. Co-Regisseur Goos Meeuwsen klärt mit dem neunköpfigen Ensemble kleinere Szenenänderungen. Im Grunde sind die Artisten Solokünstler. Das Tanzen und Schauspielern drum herum ist unüblich.

Doch das ist das Besondere an „La Folie“. Es geht nicht um Einzelacts, sondern um fließende Übergänge. Nach vier Tagen Probe musste die Gruppe als harmonisches Ensemble funktionieren.

„So etwas gibt es nicht häufig“, sagt Claire Aldaya (21), Mitglied der Gruppe Akoréacro, „aber es ist eine Herausforderung und spannender als wenn jeder nur sein Ding macht.“

18.30 Uhr: Das Publikum nimmt im Theater Platz. Während die Zuschauer noch speisen, gehen die Artisten – noch in Jogging und Jeans – einzelne Szenen hinter dem Vorhang durch. Diskutiert wird auf Französisch. Acht der neun Artisten kommen aus Québec oder Frankreich. Nur Fleeky nicht. Der kommt aus San Francisco – und hat den Überblick. Während sich die anderen besprechen, hat er es sich auf einem Schrank bequem gemacht. Seine Körperhaltung erinnert an die einer Spinne.

19.20 Uhr: Valérie Inertie, der Star von „La Folie“, sitzt im Backstage-Wohnzimmer und telefoniert via Internet. Als sie den AZ-Fotografen sieht, springt sie auf und tänzelt davon. Ungeschminkt will sie sich nicht fotografieren lassen – da ist sie eigen.

19.25 Uhr: Die Artisten gehen in den Keller zur Künstlergarderobe. Auf dem roten Plüschteppich liegen lose Toiletten. „Der letzte Teil des Hauses, der noch fertig gestellt werden muss“, erklärt Stefan Wulff, GOP-Projektleiter. Der Kühlschrank dient als Poststation. Hier hängen Ablaufpläne und Zettel mit der Aufschrift „News“ und „Post“. Darunter liegen Briefe aus der Heimat. „Ich war seit 18 Monaten nicht mehr zuhause“, sagt Claire, „aber das ist unser Job.“ Auch Weihnachten werden sie und die anderen nicht daheim verbringen können – sie haben nur einen Tag frei.

19.40 Uhr: Letzter Kontrollgang hinter der Bühne. Hier ist Thorsten Tölles Revier. Der 18-jährige Azubi arbeitet als Stage-Hand. Nicht mal ein Putzteam darf hierher. Jeder Becher, jedes Tuch könnte eine Requisite sein.

19.55 Uhr:[Strapaten-Künstler David Bonneville (30) macht sich warm. Seine Gelenke knacken, Adern und Sehnen zeichnen sich ab. Tölle kommt rein: „Ladies and Gentlemans - five minutes." Die Artisten sind angespannt.

20.20 Uhr: Fleekys Solo-Auftritt ist überstanden. „Jetzt brauche ich nicht mehr nervös zu sein“, sagt er und schmeißt sich auf das Sofa im Backstagebereich. Seine Beschäftigung: Kartentürme bauen, neue Nummern ausprobieren oder etwas über München lesen. Er mag „Glühdewein“ und bewundert die Welle im Englischen Garten: „In San Fran surfen wir viel, aber so etwas konnte ich kaum glauben.“

21.10 Uhr: Pause. Amélie tauscht hohe Hacken gegen Turnschuhe, zieht eine Daunenjacke über ihr Rüschenkleid und verschwindet mit den anderen vor die Tür zum rauchen.

22.15 Uhr: Das Finale: Übermütig und gelöst hüpfen die neun Künstler auf die Bühne. Der AZ-Fotograf hinterher.

22.35: Die Artisten schminken sich ab. „Ich koch' mir jetzt erst mal Spaghetti“, sagt David und verschwindet in sein Appartement im ersten Stock. Er und Valérie wohnen im GOP-Gebäude. Die anderen wollen noch ein bisschen feiern bevor sie in ihre Wohnungen am Westpark fahren. „Vor 5 Uhr schlafen?", fragt Fleeky, „geht nicht. Nach der Show bin ich voll Adrenalin."

Dorina Herbst

„La Folie" bis 4. 1 im GOP Varieté-Theater, Maximilianstraße 47, Karten 28/48 Euro oder 39/59 Euro mit Menü, Buchung unter Tel: 21 02 88 444

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