Die Wut der Münchner Hertie-Mitarbeiter: "An uns lag es nicht"
MÜNCHEN - Die langjährigen Mitarbeiter und Kunden der Münchner Hertie-Filialen reagieren mit Wut und Verzweiflung auf die Pleite der Handels-Kette. 120 Angestellte werden arbeitslos. Das Hertie-Haus in Obergiesing wird abgerissen.
Wenn Karoline Rauscher eines gelernt hat in all den Jahren als Verkäuferin, dann ist es das: immer freundlich bleiben. Seit 27 Jahren steht sie bei Hertie in Obergiesing an der Kasse, jeden Tag war sie „mit Leidenschaft dabei“. Auch heute lächelt sie, obwohl es besonders schwer fällt.
„Wir sind hier alle schockiert“, sagt die 44-jährige Betriebsrätin: „Viele wollten es nicht wahrhaben.“ Schon am Dienstag wusste sie, was wenige Stunden später ganz Deutschland erfahren sollte: Die letzten 54 Hertie-Warenhäuser werden in den kommenden Wochen geschlossen. Die Gläubigerversammlung hat das Ende der Kaufhausmarke besiegelt. Die Folge: Herties 2600 Mitarbeiter werden wohl ihren Job verlieren, auch die 120 Angestellten in den Münchner Filialen in Giesing, Laim und Fürstenried.
Wie Schockwellen verbreitete sich die Nachricht. „In Giesing gibt es keinen, der weniger als zehn Jahre hier gearbeitet hat“, erzählt Karoline Rauscher, „da ist man natürlich sehr mit Hertie verwachsen.“ Vielen Kunden geht es genauso. Rauscher sagt: „Für manche Kunden ist das hier wie ein Wohnzimmer. Viele Kunden merken sofort, wenn das Regal auch nur um einen Meter verstellt wurde.“
Auch Lues Degori würde dies wohl nicht entgehen. Der Besuch bei Hertie ist Teil seiner täglichen Routine. Der 72-jährige Rentner nennt das Hertie-Aus „eine richtig traurige Sache“ und schimpft: „Jetzt stehen diese Menschen auf der Straße, weil ein Konzernchef rücksichtslos Entscheidungen getroffen hat.“ Gemeint ist der Hertie-Besitzer Dawnay Day. Auch Insolvenzverwalter Biner Bähr macht den Briten für die Schließung verwantwortlich. Nur ums Geld sei es ihm gegangen.
"Da wurde nur noch gezockt!"
Viele Mitarbeiter in der Hertie-Filiale in Laim sehen das ähnlich. Dass alle Münchner Häuser schwarze Zahlen geschrieben haben, verstärkt ihren Frust. Eine Verkäuferin flüstert über ihre Kasse hinweg: „Da wurde nur noch gezockt. An uns lag es ganz sicher nicht.“ Die Sorge um die Zukunft ist der Frau ins Gesicht geschrieben. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet sie hier und würde wohl gerne ihre Gefühlslage erklären. Doch dann nähert sich eine weitere Dame den Reportern: „Bitte verlassen Sie das Haus!“
Offenbar will sich die Filialleitung nicht mit unangenehmen Fragen befassen und aussprechen, woran Georg Wäsler keine Zweifel hat: „Die Chance auf eine Weiterbeschäftigung liegt in München bei Null“, erklärt der Verdi-Gewerkschafter.
Tatsächlich haben die Eigentümer der Hertie-Häuser ihre eigenen Pläne. Die Gebäude in Laim und Giesing gehören der Münchner Firma Bucher Properties GmbH und der Düsseldorfer Development Partner AG. Immobilienentwickler Martin Bucher sagt, er habe „noch keine konkrete Vision“. Sicher sei jedoch, dass Herties Unterkunft an der Tegernseer Landstraße 64 in Giesing abgerissen werde. Eine Sanierung des Gebäudes lohne sich nicht. Dem Haus an der Für-stenriederstraße in Laim könnte dasselbe drohen.
"Als Geschenk bekomme ich den Rauswurf"
Nur das Hertie-Haus in Fürstenried wird laut der Eigentümerin Siedlungsgesellschaft Bavaria sicher vor der Abrissbirne verschont bleiben. Martin Bucher hält seine Standorte in Giesing und Laim „für sehr entwicklungsfähig“. Doch auch das wird die Hertie-Mitarbeiter nicht mehr retten. Wer bis August keinen Job gefunden hat, wird arbeitslos, da geben sich viele Beschäftigte keinen Illusionen hin.
Im Sommer hätte Karoline Rauscher ihr 28. Jahr an der Hertie-Kasse gefeiert. „Als Geschenk bekomme ich den Rauswurf“, sagt sie und versucht ein Lächeln. Diesmal wirkt es nicht mehr freundlich sondern reichlich bitter.
Franziska Faßbinder, Reinhard Keck
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