Die Wies'n Serie - Exportschlager Dirndl
Thailands Königin hat sie im Schrank, Caroline vonMonaco und auch Stilikone Sarah Jessica Parker: Die Tracht prägt das Bild Münchens auf der ganzen Welt.
Einen König angelt man sich im Dirndl: So machte es Silvia Sommerlath 1972 bei den Olympischen Spielen in München. Wie alle Hostessen trug sie Tracht – vier Jahre später heiratete sie König Carl Gustaf von Schweden. Bis heute soll die Königin mit bayerischer Vergangenheit ein Dirndl im Schrank hängen haben. Und ist damit in guter Gesellschaft. Von Thailands Königin Sirikit Kitiyakara bis hin zu Caroline von Monaco: Der Adel von Welt liebt Jancker, Dirndl und Loden.
„Es ist mehr als einfach nur ein G’wand“, sagt auch die Volkskundlerin Simone Egger. Für sie stillt das mädchenhafte Kleid eine Sehnsucht nach der heilen Welt. „Damit prägt das Dirndl das Bild Münchens und auch Deutschlands in der Welt.“ Mieder, Schürze und Charivari sind zu einem Symbol geworden. Und zu einem riesigen Markt.
Eine Milliarde Euro werden pro Jahr laut Schätzungen des Bayerischen Einzelhandelsverbandes mit Trachten umgesetzt. Galeria Kaufhof verkauft in 30 Filialen außerhalb Bayerns Dirndl und Lederhosen – und sogar das erste Trachtenensemble von Tchibo wurde in Hamburg laut einer Sprecherin regelrecht aus den Regalen gerissen. „Tracht ist kein Nischenprodukt mehr“, sagt Martin Ruoß vomWäschehersteller Susa. Der schwäbische Fabrikant verkaufte dieses Jahr alleine bis Ende August 70 000 Dirndl-BHs. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Dabei wurde das Dirndl lange Zeit alles andere als geschätzt. Es war ein Arme- Leute-Gewand, die Kluft der Mägde und Kellnerinnen. Einfach vomStoff und der Schnürung am Mieder – und nicht zu vergleichen mit der Altmünchner Tracht. In dieser etwa ließ sich die „schöne Münchnerin“ Helene Sedlmayr bereits 1830 für die Galerie von Ludwig I. porträtieren: Das hochgeschlossen Ensemble samt Riegelhaube kaufte der Monarch höchstselbst. Es anzuziehen dauerte Stunden.
„Eine unbekannte Schneiderin muss dann die Idee gehabt haben, das Mägdegewand als schlichtes, aber traditionelles Sommerkleid für die Damen umzugestalten“, sagt Forscherin Egger. Was dann losbrach, war der erste Trachten-Boom der bayerischen Geschichte. Vom Starnberger See bis nach Ischgl zeigten sich die Damen während der Sommerfrische in dem leichten Kleid. König Ludwig II., Herzog Max, Prinz Luitpold und vor allem Kaiser Franz Josef I. zogen sich die Lederhosen an und kultivierten sie zur Freizeit- und Jagdkleidung des Adels.
Das Dirndl wurde Ausdruck der alpenländischen Identität – und ist es bis heute geblieben. Während die Tracht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region repräsentiert, ist das Dirndl zum Allgemeingut Bayerns geworden. „Es geht über einen Trend hinaus. Es ist ein Stil, der sich über Generationen zieht“, sagt auch die österreichische Dirndl-Historikerin Gexi Tostmann. „Das Interesse so vieler junger Leute wie heute wäre in den 40er Jahren undenkbar gewesen. Damals galt es als verstaubt.“
Entstaubt hat es letztendlich Christian Dior. Der Couturier revolutionierte die Mode in den 50ern mit dem New Look: Modelle mit enger Taille und schwingendem Rock. „Indirekt hat Dior das Dirndl nach- und neu interpretiert“, sagt Tostmann.
Vor allem in München wurde das Dirndl für die breite Masse begehrt: Es fand ins Straßenbild der Stadt zurück. 1969 schließlich wirbt Loden-Frey erstmals mit dem Dirndl, während der Olympischen Spiele in München wird es zum Markenzeichen der „Stadt mit Herz“ und zum Kultobjekt der Saison – dann wird es über 20 Jahre lang verbannt.
Die Landhausmode der 80er heftet dem Dirndl ein Kitsch- Image anund keiner mag glauben, dass das antiquierte Kleid je wieder modern wird. Doch ganz plötzlich ist es in den 90er Jahren wieder da. Erst nur bei bajuwarischen Damen, schließlich bei nahezu jedem Teenager. „1999 dachten wir, die Spitze ist erreicht“, sagt Gabriele Hammerschick, Chefin der Trachtenabteilung von Loden-Frey. „Doch bis heuer verkaufen wir jedes Jahr mehr Dirndl.“ 300 Stück gehen derzeit pro Tag bei Loden- Frey über die Theke. Manche Stücke kosten bis zu 2500 Euro „und es ist nicht die Ausnahme, dass wir diese verkaufen“, sagt Hammerschick.
Denn während derzeit Billig-Dirndl boomen, zeichnet sich bei den Münchnerinnen ein Trend zum Couture- Dirndl ab, um sich von den Touristinnen abzugrenzen. „Die Leute wollen ein Dirndl, das länger als eine Saison aktuell ist“, sagt Hammerschick. So groß ist der Einfluss, dass der Designer Christopher Kane, genau wie Jean Paul Gaultier oder Riccardo Tisci für Givenchy trachtige Elemente in ihre Herbst-Kollektionen einbauten. „Dass ein Kleidungsstück erst in Mode kommt, dann einen Hype auslöst und schließlich heute Standard ist, ist in der Geschichte einzigartig“, sagt Egger. Denn von der Verkleidung hat es sich zum individuellen Mode-Must-Have gewandelt. „Der Grundschnitt ist so simpel, dass jede Frau ihre eigene Persönlichkeit auf das Kleid produzieren kann“, sagt Egger. Ob schrill wie Cora Schumacher im Totenkopf-Dirndl, ob glitzernd wie Paris Hilton im Paltinger Dirndl, edel wie Sarah Jessica Parker in Trentini oder jugendlich wie Sarah Brandner und Sophie Wepper im Label Amsel: Das Dirndl eint über Alter und Status hinweg. Bis jetzt.
Dass der Trachten-Hype sich langsam selbst überlebt, glaubt Gexi Tostmann: „Glitzer, Mascherl und der Kram werden immer mehr.“ Das Dirndl wird zu alltäglich, zu modisch, um die bayerische Identität noch zu spiegeln. „Die Frauen, die traditionelle Dirndl tragen, ziehen sich zurück und dann ist es aus mit dem Boom“, sagt Tostmann. „Aber ganz verschwinden, wird das Dirndl nie mehr.“
Anne Kathrin Koophamel