Die weltoffensten Migranten leben in München

MÜNCHEN - In München leben die cleversten, aufgeschlossensten, weltoffensten, integrationswilligsten und ehrgeizigsten Migranten ganz Deutschlands. Das hat eine bundesweite Untersuchung des Heidelberger Sinus-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Amt der Stadt ergeben.
Die Sozialforscher entdecken darin sogar das Potenzial für eine neue Elite und einer neuen Leitgruppe. Zwei Drittel machen in München ambitionierte und bürgerliche Milieus aus.
In München hat inzwischen jeder dritte Einwohner einen Migrationshintergrund: Ob er Ausländer ist oder als Migrant die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat oder mit ausländischen Wurzeln in zweiter oder dritter Generation hier lebt und Deutscher wurde. Die Forscher haben die Bevölkerung dafür in acht Milieus unterteilt. Die wichtigsten Ergebnisse für München hat der Stadt-Statistiker Elmar Huss so zusammengefasst:
Jeder fünfte Migrantenhaushalt (19,6 Prozent) zählt zum Milieu der „Multikulturellen Performer“ – bundesweit ist das nur jeder achte (13 Prozent): Das ist ein „junges, leistungsorientiertes Milieu, das sich mit dem westlichen Lebensstil identifiziert und nach beruflichem Erfolg und intensivem Leben strebt“. Zum Vergleich: In Regensburg sind das 17,2 Prozent, in Frankfurt 16,3, in Hamburg 14,2, in Ingolstadt 13,2, in Nürnberg 12,7 und in Berlin 11,3.
Jeder siebte Migrantenhaushalt in München wird dem „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ zugerechnet (15,3 Prozent) – bundesweit nur jeder neunte (11 Prozent). Das ist ein „aufgeklärtes, global denkendes Bildungsmilieu mit einer weltoffenen, mulitkulturellen Grundhaltung und vielfältigen intellektuellen Interessen“, heißt es in der aktuellen Studie.
Aus dieser Gruppe sollen die neue Elite und die neue Leitgruppe entstehen, sagen die Sozialforscher. Es sind: Regensburg 13,2, Berlin 11, Augsburg 10,7, Frankfurt 13,1, Ingolstadt 12, Nürnberg 11,4.
„In München überrepräsentiert ist schließlich das statusorientierte Milieu“, so Elmar Huss. Das sind mit 14,3 Prozent 2,3 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Der Chef-Statistiker: „Damit ist das klassische Aufsteigermilieu gemeint, das durch Leistung und Zielstrebigkeit materiellen Wohlstand und soziale Anerkennung erreichen will.“ Zum Vergleich: Regensburg 13,4 Prozent, Augsburg 11,6, Berlin 11,4 Frankfurt 13,2, Ingolstadt 12,5, Nürnberg 12,0 Prozent.
Ein Plus gegenüber dem Bundesdurchschnitt auch bei jenen Migranten, die zur pragmatischen, modernen Mitte gehören und nach Integration und einem „harmonischen Leben in gesicherten Verhältnissen“ streben (Huss); 17,9 Prozent in München, 16 Prozent bundesweit. Heidelberg 18,5, Regensburg 17,4, Frankfurt 16,9, Augsburg 15,3, Ingolstadt 15, Nürnberg 15,1, Berlin 13,2.
Dagegen sind die prekären und traditionsverwurzelten Migrantengruppen in München unterrepräsentiert, das traditionelle Arbeitermilieu: Mit nur 8,6 Prozent sind das 7,4 Prozent weniger gegenüber dem Bundesvergleich (16 Prozent). In Augsburg 16,2 Prozent, Nürnberg 15,4, Berlin 14,4, Hamburg 14,3, Ingolstadt 14 Prozent und Regensburg 12,7.
Nur jeder achte Münchner Migrantenhaushalt (12,5 Prozent – im Bund sind es 15 Prozent – gehört zur Gruppe der „unangepassten zweiten Generation“, die sich der Integration verweigert, aber an allem interessiert ist, was Spaß macht. Huss: „Im Städtevergleich steht diesmal Berlin ganz vorn (20,2 Prozent) und München mit Heidelberg (12,8) und Regensburg (12,7) ganz am Ende.“
Das religiös verwurzelte Milieu macht in München nur 5,5 Prozent aus, bundesweit sind es 7,0 Prozent. In Ingolstadt sogar 11,3 Prozent, in Augsburg 8,6 und in Nürnberg 7,1.
Das „entwurzelte Milieu“ macht in München nur 6,3 Prozent aus – bundesweit 9,0, in Berlin 11,3 Prozent.
In den unteren Gruppen herrschen niedriges Bildungsniveau und hohe Arbeitslosigkeit vor. In den oberen Gruppen sind gehobenes und höchstes Bildungsniveau anzutreffen, dort gibt es viele Selbstständige, qualifizierte Angestellte und Facharbeiter. Sie leben der Umfrage zufolge vornehmlich in den Stadtteilen Altstadt, Maxvorstadt, Ludwigsvorstadt, Isarvorstadt, Neuhausen, Schwabing-West, südliches Schwabing-Freimann, Sendling, Haidhausen und südliches Bogenhausen.
Das Arbeiter-Milieu und die religiös Verwurzelten leben vornehmlich, so ergab die Studie, vor allem in den Mittel- und Randbezirken wie Milbertshofen-Am Hart, Feldmoching-Hasenbergl, Freimann, Moosach, Pasing-Obermenzing, westliches Allach-Untermenzing.
„Die große Mehrheit der Befragten will sich aber in die Aufnahmegesellschaft einfügen“, so Elmar Huss. Für die repräsentative Studie wurden rund 2072 Migranten über 14 Jahre mehrere Stunden in mehreren Sprachen befragt. Willi Bock