"Die Unwertigen": Heimkinder im dritten Reich

MÜNCHEN - In den Kinderheimen der NS-Zeit erwarteten die Kinder harte Feldarbeit und drakonische Strafen. Im Film "Die Unwertigen" erzählt Regisseurin Renate Günther-Greene von den Leiden der Heimkinder.
Blond, blauäugig, durchtrainiert und treu bis in den Tod – so wünschte sich der NS-Staat seine Jugend. Doch was war mit denen, die nicht ins System passten? Die Regisseurin Renate Günther-Greene zeigt in ihrem Film „Die Unwertigen“ Menschen, die als „asozial“ und „schwachsinnig“ galten und in deutschen Kinderheimen ein grausames Dasein fristeten.
Unter ihnen ist auch Richard Sucker (77). Er ist einer von vier Protagonisten, die im Film ihr „unwertes Dasein“ schildern – mit der AZ sprach er auch 2008 über seine furchtbaren Jahre im Heim. Sucker wurde mit eineinhalb Jahren von seiner Mutter als uneheliches Kind getrennt und kam ins Heim nach Breslau. Immer wieder schlugen ihn die Aufseher, er schuftete täglich, jederzeit drohten drakonische Strafen. „Morgens bekamen die Bettnässer vom Heimleiter Prügel. Dann ging's zur Feldarbeit. Wer nicht spurte, wurde blutig gehauen.“
Auch nach dem Krieg ging für viele Heimkinder das Leiden weiter
Manche Kinder wurden stundenlang in eine dunkle Kammer gesperrt. „Ich kann noch immer nicht in engen Räumen sein,“ erzählt Sucker. Regisseurin Günther-Greene erzählt den Film nicht aufklärerisch von oben herab, sondern lässt ihre Protagonisten reden, stellt nur ab und zu eine Frage. Dazwischen zeigt sie ruhige Naturbilder: Ein Zaun mit einem Bollerwagen, eine Schaukel am Seeufer im Wind – hier sollten Kinder unbeschwert spielen, doch es gibt nur Leere und Bedrückung. Eine echte Kindheit hatten die Heiminsassen nie.
Das Schockierende: Auch nach 1945 ging das Martyrium weiter, bis in die 70er Jahre ging das Leiden für viele Menschen weiter.Die Heime waren meist in kirchlicher Obhut. Nonnen, Brüder und Erzieher hatten keine pädagogische Ausbildung. Sucker kam nach Franken zu den evangelischen Rummelsberger Brüder und musste auch dort wieder auf’s Feld. Der vermeintlich „Schwachsinnigen“ Elfriede Rybak wurden sogar ihre drei Kinder weggenommen.
2006 hat sich erstmals ein Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit der Situation von Heimkindern der 50er und 60er Jahre befasst. im November 2010 will er sein Ergebnis verkünden. Im Film sieht man Sucker vor dem Reichstag in Berlin. „Ich bin im Bundestag, wer hätte das gedacht“, sagt er in der Szene. Dann weint er.
Tobias Langenbach