"Tiefgaragen sind leer": AZ im Gespräch mit Melanie Hammer über nachhaltiges Bauen
München - Treffpunkt mit Melanie Hammer, Chefin des Bauträgers Beckerhammer (BHB Unternehmensgruppe) aus Grünwald, ist die Hotelbar im Perlach Plaza, dieser brandneuen Überbauung mitten in Neuperlach, gegenüber vom Einkaufszentrum PEP. Nicht unbedingt ein Ort, mit dem man als Erstes das Thema Nachhaltigkeit verbindet. Obendrauf regnet es noch, der Platz sieht so noch trister grau aus als ohnehin schon. Aber der erste Eindruck kann auch täuschen.
Das zeigt sich im Gespräch mit Hammer: Die 39-Jährige ist seit 2014 Geschäftsführerin und ausgebildete Architektin. Und sie ist angetreten, um etwas zu ändern, wie sie selbst sagt. Auch wenn ihr Aufgabenfeld, die Projektentwicklung, ein "sehr, sehr langfristiges" sei.

Als Architektin habe sie gelernt, dass man sich beim Entwerfen erst vor Ort umschauen soll, was da ist: "Was ist die Geschichte, der Charakter, die Atmosphäre des Orts?".
Nachhaltigkeit am Bau: Kunst und ein Zuhause für Spatzen
Im Fall des Perlach Plaza heißt das zum Beispiel konkret, auf die Spatzenpopulation Rücksicht zu nehmen, die sich dort angesiedelt hat – in München ja generell eher eine Seltenheit. Ein Kunstwerk einer Kulturzwischennutzung haben die sich als vorübergehendes Zuhause ausgesucht. "Jetzt sind an der Fassade Kunstwerke des Münchner Künstlers Hajo Forster angebracht, die gleichzeitig für die Spatzen als neues Zuhause dienen – man sieht die schlitzartigen Öffnungen an den einzelnen Werken", erklärt Hammer.

So gibt es bei vielen Projekten des Bauträgers, ob bereits fertig oder noch in Planung, solche Elemente der Nachhaltigkeit, die aufgegriffen werden, immer auch mit einem lokalen Bezug.
Interessante Technologie und Artenschutz
Beim Projekt "Futuria" in Garching, wo ein komplett neues Quartier gleich neben dem Business Campus und in TU-Nähe entsteht, wird Technologieaffinität mit nachhaltigen Themen kombiniert: Den Gehwegen aus recyceltem Beton werden Leuchtpigmente beigegeben, "ein Material, das aus der Erde gewonnen wird", so Hammer. "Viele kennen das in ähnlicher Form wahrscheinlich aus der Kindheit". Die würden zwar nicht die ganze Beleuchtung ersetzen, sollen aber "das Thema einer nachhaltigen Beleuchtung bewusst machen".

Und: "In jedem Projekt ist auch der Artenschutz ein Thema. Hier sind es z. B. die Schmetterlinge, die ein neues Zuhause bekommen". Heißt konkret: Die Gartenhäuschen sind schmetterlings- und raupenfreundlich begrünt, sodass sie sich da ansiedeln können. Ob die Tiere das Angebot dann auch annehmen, ist allerdings offen: "Ich schaffe quasi die Infrastruktur und die Natur muss es dann selber annehmen".

Studentenapartments mit Bienenvolk und Platz für "Urban Gardening"
Bereits fertig gebaut und vollständig belegt sind die Studentenapartments mit dem Namen "Bee Free" in Freising. Passend zum Namen gibt es dort Bienenkolonien auf dem Dach, die von zwei Imkerinnen betreut werden. Und die Studierenden können sich im Innenhof Beete für "Urban Gardening" reservieren.
Noch wird das Angebot aber eher zögerlich angenommen – vielleicht auch, weil man den Bewohnern erst erklären muss, dass es diese Möglichkeit gibt. Deswegen will BHB bald mit einer Pflanzaktion auf die Möglichkeit aufmerksam machen.

Das sind aber alles Elemente, die mehr oder weniger deutlich an der Oberfläche sichtbar sind: an der Fassade, im Innenhof, auf dem Dach.
Sanieren statt Neubau? Schwierig wegen Münchner Stellplatz-Satzung
Eine sehr wichtige Rolle beim Bau – und beim nachhaltigen Bauen – spielt aber auch das, was sich im Unsichtbaren abspielt: "Wenn wir bauen, gibt es einen großen Teil vom Gebäude, den man nicht sieht, der befindet sich unter der Erde. Da stecken wahnsinnig viele Baukosten drin und viele Eingriffe in die Natur. Das mache ich, weil ich Stellplätze bauen muss", erzählt Hammer.
Die Rede ist von Tiefgaragen, die in der Regel ziemlich massiv, aus Beton und damit auch nicht sehr nachhaltig gebaut werden müssen.
Ob diese Stellplätze für Autos wirklich nötig sind, stellt Melanie Hammer infrage. Ihre Erfahrung zeigt nämlich etwas ganz anderes: "Die Wahrheit ist, dass diese Tiefgaragen leer sind. Und da steckt so viel CO2 drin, die bestehen ja nur aus Beton." Man könne zwar Fahrräder unterbringen oder andere Dinge, "aber vielleicht wäre es besser, sie einfach nicht zu bauen". Oder flexiblere Parksysteme an der Oberfläche zu bauen, die man einfacher wieder ab- und umbauen kann. "Gerade jüngere und ältere Menschen fahren nicht mehr so viel Auto in meiner Erfahrung."

Nachhaltig bauen: Stellplatzschlüssel als Hindernis
So einfach ist das allerdings nicht: Die Gemeinden geben einen sogenannten Stellplatzschlüssel vor, also wie viele Stellplätze pro Wohnung gebaut werden müssen. In München ist dieser Schlüssel 1:1. Das hat auch Konsequenzen für die Planung, wie Melanie Hammer an einem Beispiel zeigt: "Bei einer Liegenschaft in der Innenstadt stellt sich gerade die Frage, ob wir das bestehende Gebäude abreißen und neu bauen oder sanieren und aufstocken, was gegebenenfalls klimafreundlicher wäre".
Eine Sanierung hat den Vorteil, dass die sogenannte "graue Energie" und "graue Emissionen" bereits in den Gebäuden steckt. Bis zu 50 Prozent der Emissionen könnten so je nach Fall gegenüber einem Neubau gespart werden.
Weil aber pro Wohnung ein Stellplatz für ein Auto entstehen muss, ist ein Abriss und Neubau laut Hammer eben doch wieder lukrativer. Aber nicht nachhaltig.
Fazit: An der Oberfläche ist viel möglich, was nachhaltiges Bauen betrifft. Im Verborgenen ist Nachhaltigkeit noch kein großes Thema – die Stadt hat es aber in der Hand, das zu ändern.
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