"Die Tat geschah im Vernichtungsrausch"

Kriminalpsychologe Christian Lüdke im AZ-Interview über mögliche Motive des Doppelmörders.
von  Tina Angerer

Kriminalpsychologe Christian Lüdke im AZ-Interview über mögliche Motive des Doppelmörders.

AZ: Herr Lüdke, welche Täter bringen unschuldige Kinder um?
CHRISTIAN LÜDKE: Es gibt unterschiedliche Tätertypen. Zum Beispiel Menschen,
die andere unter ihre Kontrolle bringen wollen, nur dann fühlen sie sich stark.
In Krailling sieht es aber nicht danach aus.

Warum nicht?
Solche Tätertypen fahren umher auf der Suche nach einem geeigneten Opfer.
Sie minimieren das Risiko, greifen sich Kinder, die alleine unterwegs sind, oft verstecken sie die Leiche. Hier ging der Täter in die Wohnung, ein sehr hohes Risiko. Das war keine Zufallstat. Der Mörder wusste wohl, dass die Kinder an diesem Abend alleine sind.

Was schließen Sie daraus?
Es sieht nach Beziehungstat aus. Die massive Brutalität, erstechen und erschlagen, das nennen wir Übertöten. Das zeigt den unbedingten Willen, jemanden auszulöschen, das ist ein Vernichtungsrausch. Danach verwischt der Täter kaum Spuren, lässt die Kinder liegen.

Was könnte das Motiv sein?
Typisch wären Eifersucht oder Rache, zum Beispiel gegenüber der Mutter: Du hast mein Leben zerstört, jetzt zerstöre ich deines.

Heißt das, der Täter kommt aus dem näheren Umfeld der Familie?
Das würde passen. Beziehungstat muss aber nicht heißen, dass die Beziehung sehr eng war: Einer aus dem Dorf, der die Umstände kannte, sich zurückgewiesen oder gedemütigt fühlte – auch das ist ja eine Beziehung. Ich glaube nicht, dass es ein Fremder war, der aus Mordlust dahin gefahren ist.

In Gersthofen gab es das, der Täter kam zufällig vorbei, stieg ein und
brachte ein Mädchen um.

Ja, ich habe davon gehört. Es gibt solche Psychopathen, dennoch glaube ich in
diesem Fall an einen anderen Tätertyp.

Was bedeutet das für die Kraillinger?
Dort ist das grundlegende Sicherheitsgefühl der Menschen erschüttert. Es ist verständlich, dass besonders Familien Angst haben, solange der Täter nicht gefasst ist. Das Misstrauen ist groß und es verstärkt sich durch die Ahnung, dass man den, der das getan hat, vielleicht persönlich kennt und er vor den eigenen Augen frei herumläuft. Ein ungeheures Gefühl der Hilflosigkeit.

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