Die Stadtflucht der Handwerker in München

München - Franz Xaver Peteranderl war der Ärger trotz seiner zurückhaltenden Art anzumerken. Der Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern scheint den Beschluss des Stadtrats nicht verdaut zu haben.
München: Parkgebühren werden für Handwerker teurer
Bei der gestrigen Pressekonferenz zur Handwerkskonjunktur wird er deutlich: "Ich habe das Gefühl, den Handwerksbetrieben in München werden Knüppel zwischen die Beine geworfen." Es geht um den Beschluss, Parkgebühren für Handwerker und Gewerbetreibende heuer zu erhöhen. Statt jährlich 265 Euro zahlen Handwerker künftig 720 Euro, noch höher ist die Preissteigerung bei gewerblichen Anliegern, die zuvor 120 Euro gezahlt haben.
Sollten Anwohner in München verstärkt zur Kasse gebeten werden?
In Peteranderls Augen sollten beim Parken verstärkt die Anwohner zur Kasse gebeten werden. Teilweise ist dies schon der Fall, außerhalb der Altstadt werden die Parkgebühren generell erhöht. Doch um die Anwohner-Parkausweise teurer zu gestalten, fehlt momentan die gesetzliche Grundlage, hier legt der Freistaat die Obergrenze fest.
Das Hauptproblem ist der Münchner Verkehr
Der Verkehr in München sei ein übergeordnetes Problem für die Handwerksbetriebe, betonte Peteranderl. Durch die Erhöhung der Parkgebühren würde die Situation noch verschärft: "Immer mehr Betriebe wandern aus der Stadt ab. Und die Betriebe aus dem Umland vermeiden es, Aufträge in München anzunehmen."
Die Parkplatzsituation, zu wenige Anfahrts- und Lieferzonen, vor allem aber der Stau würden diese abschrecken. Die Stadt müsse dringend Maßnahmen ergreifen. Tiefgaragen sollten hoch genug gebaut werden, dass Lieferfahrzeuge hineinpassen. Außerdem sollten Anwohner-Parkausweise nur vergeben werden, wenn kein eigener Stellplatz vorhanden ist.
Schwierige Zeiten für verbrauchernahe Dienstleistungen
Auch sonst ist die Situation schwierig. Die Konjunktur habe sich zum Jahresende abgeschwächt. Erhöhte Energie- und Materialpreise, Lieferengpässe, auch die Auswirkungen der Inflation hätten den Handwerksbetrieben zu schaffen gemacht. Besonders Betriebe für verbrauchernahe Dienstleistungen hätten stark gelitten, wie zum Beispiel Friseure, Kosmetiker oder Fotografen.
Die Beschäftigungszahlen sind 2021 mit Ausnahme des Baugewerbes zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr waren es rund 8.000 Arbeitsplätze weniger. "Trotz allem blicken wir vorsichtig optimistisch auf das Jahr 2022", so Peteranderl. Für das oberbayerische Handwerk sei ein nominales Umsatzwachstum von vier Prozent möglich, die Beschäftigung könne um ein Prozent steigen.
Auch die Ausbildungen gehen zurück
Ausgebildet wird weniger: Über 9.500 neue Lehrverträge seien 2021 erfasst worden. Etwa 100 Verträge weniger als im Vorjahr, im Vergleich zu 2019 seien es sogar 1.000 Abschlüsse weniger. "Ausbildungsmessen wurden abgesagt oder ins Internet verlegt", erklärt Frank Hüpers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Auch der demografische Wandel und der Trend zum Studium seien ausschlaggebend.
Die Bedeutung Geflüchteter für das Handwerk
Hüpers betonte die Bedeutung Geflüchteter. 8,5 Prozent der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sei mit Afghanen, Syrern oder Irakern geschlossen worden. Fachkräfte und Auszubildende aus dem Ausland seien generell immer gefragter: "Wir vermuten, dass sich unsere Betriebe künftig verstärkt in anderen Herkunftsländern um Auszubildende bemühen werden", so Hüpers. Bereits jetzt würden Betriebe häufiger Auszubildende aus dem Kosovo, Georgien und Albanien einstellen.