Die Schule AG

MÜNCHEN - Ausweg aus der Bildungsnot? Die erste Privatschul-Kette in Deutschland. Lehrer werden von Headhuntern gesucht, die Tafel ist elektronisch, der Unterricht zweisprachig – aber Elite mag man nicht sein bei „Phorms“ .
Wenn die Kinder beim Mittagessen aus dem Fenster schauen, blicken sie von oben auf den Bogenhauser Friedhof. Im Hof steht eine Traube von Erwachsenen. Sie lassen sich herum führen, weil sie ihre Kinder eventuell hier unterbringen wollen. Hier in Münchens Bestlage in Bogenhausen will die Privatschule „Phorms“ die beste Bildung bieten. Phorms ist die erste deutsche Privatschulkette, hinter der eine Aktiengesellschaft steht. In München gibt es bereits Kindergarten und Grundschule, das Gymnasium startet im September.
Der Kette profitiert von der Bildungskrise und dem Frust der Eltern. Bei Phorms sind niemehr as 20 Kinder in einer Klasse, jeder Lehrer hat einen Assistenten, sodass auf zehn Kinder ein Betreuer kommt. „Ich weiß, wie es ist, wenn man alleine 34 Schüler unterrichtet - da kann man nicht individuell auf die Kinder eingehen“, sagt Rachel Walker, Direktorin der Münchner Grundschule.
Special-needs–Teacher
„Besonders wichtig ist für uns, dass es eine Ganztagsschule ist“, sagt Klaus Steinmetz. Er baut im Auftrag von Phorms das Münchner Gymnasium mit auf, und zieht dann weiter. „Die Kinder bekommen auch außerhalb des normalen Unterrichts Förderung. Wir haben zum Beispiel einen Special-needs–Teacher, der sich sowohl um Kinder mit Lernschwierigkeiten kümmert, als auch für besonders begabte Kinder spezielle Programme entwickelt.“ Die Lehrer stammen nicht nur aus Deutschland, auch aus England, Amerika und Kanada. Sie werden auf internationalen Messen rekrutiert oder von Head Huntern gezielt angesprochen. „Hier ist keiner, der keine Lust hat. Sowohl Lehrer als auch Kinder haben enorm Spaß an dem, was sie machen und sind dabei unglaublich motiviert", sagt Gründerin Bea Beste.
Die Kinder sitzen auf dem Parkettboden im Musiksaal – jeden Morgen treffen sich alle Schüler für eine Viertelstunde. Heute tragen Erstklässler ein Lied vor – auf englisch, denn Phorms ist eine zweisprachige Schule – die Kleinen sollen früh auf die globalisierte Welt vorbereitet werden. „Kinder lernen die Sprache enorm schnell“, sagt Walker. Beim Matheunterricht in der zweiten Klasse, schreibt die Lehrerin die Preise von Essen und Getränke untereinander, die Vorschläge kommen von den Kleinen. „Fassbrause, two Euro“, schlägt einer vor. „Can you say it in english?“, fragt die Lehrerin, muss dann aber einräumen. „I think Fassbrause doesn’t exist in english“. Die gute alte Tafel gibt es in den Klassenzimmern nicht mehr – statt dessen hängen „smartboards“ an der Wand: der Lehrer kann manuell darauf schreiben, er kann das Bild seines Laptops an die Wand werfen, und die Kinder können mit ihren Händen an der Wand Symbole antippen. Die interaktive Tafel ist in England weit verbreitet, bei uns ist sie Luxus – genau wie die Ausstattung mit Laptops schon in der Grundschule.
Das kostet
Die monatlichen Beiträge sind einkommensabhängig - in München n zahlen Eltern zwischen 100 und 1000 Euro, nach 16.30 Uhr gibt es Hortbetreuung, die nochmal zwischen 88 und 250 Euro kostet. Dazu kommt eine einmalige Aufnahmegebühr. Kritiker wie der Deutsche Lehrerverband werfen Phorms vor, nur Eliten zu fördern. Damit eine Privatschule in Deutschland aber staatliches Fördergeld bekommt, darf sie keine Kinder über die Höhe des Schulgeldes ausschließen – deswegen die Einkommensabhängigkeit der Beiträge, in Berlin gibt es auch Phorms-Stipendien. Gründerin Bea Beste spricht von einem „gesunden sozialen Mix“ und wird nicht müde zu betonen, dass genau das „pädagogisch wertvoll“ sei.
Dennoch sind in Deutschland die Vorurteile groß. Hamburg hat gerade den Phorms- Antrag abgelehnt – offenbar weil die Auswahl nicht sozial verträglich sei. Phorms wird einen überarbeiteten Antrag in Hamburg einreichen. Laut Lehrerverband ist die Konstruktion über eine AG grundsätzlich abzulehnen. Bea Beste hält dagegen, dass die Schulen ja von der AG unabhängig und gemeinnützig sind. Insgesamt ist der Anteil der Privatschulen ist in Deutschland im europäischen Vergleich gering .
Warteliste wegen großer Nachfrage geschlossen
München ist für Phorms bestes Pflaster. Bei der Grundschule musste die Warteliste wegen zu großer Nachfrage bereits geschlossen werden, auch das Interesse am Gymnasium ist groß – zunächst werden zwei fünfte Klassen starten. Die interessierten Eltern im Hof sind angetan von der schönen Anlage. Zum „gesunden sozialen Mix“ werden sie aber wohl wenig beitragen. Auf dem Elternparkplatz stehen nur ein dicker BMW und zwei Porsche Cayenne.
Tina Angerer