Die Schlammschlacht um den Hofbräukeller
München - Es begann mit einer Absage, freundlich und harmlos in Ricky Steinbergs Augen. Einer Absage, in der geschrieben stand, dass der Hofbräukeller bis auf weiteres keine Reservierungen von Studentenverbindungen entgegen nehmen könne.
Dann brach der Shitstorm über ihn herein.
„So etwas habe ich noch nie erlebt und möchte ich nie wieder erleben“, sagt der Wirt, und man hört ihm an, dass er selbst noch nicht fassen kann, was da mit ihm und seiner Wirtschaft geschieht. Auf Facebook, wo den Hofbräukeller bisher 700 zufriedene Kunden bewertet hatten, ist er im Ranking auf 1,8 von 5 Sternen gerutscht. Wegen 2900 neuer, miserabler Bewertungen.
Lesen Sie hier die offizielle Stellungnahme des Hofbräukellers
Aber mal ganz von vorne: Anfang Juni ist eine Studentenverbindung zu Gast im Hofbräukeller. Steinburg sagt: „Wir haben seit 1995 immer wieder Studentenverbindungen da, und es gab wenig Probleme. Natürlich haben sie sich auch mal vollaufen lassen, aber das ist harmlos, das machen andere auch.“ Aber in den letzten Monaten, sagt Steinberg, hätte es immer wieder Ausfälle gegeben, hätten Verbindungen randaliert, das Mobiliar beschädigt, extremen Stress bei der Biergartenräumung gemacht.
„Nationalsozialistischer Touch“
Der Vorfall Anfang Juni aber ist noch einmal von anderer Art. Die Verbindung, die im kleinen Saal sitzt, der zum Biergarten rausgeht, fängt an zu grölen. Die erste Strophe des Deutschlandlieds. „Das geht nicht“, sagt Ricky Steinberg klar. „Das hat einen nationalsozialistischen Touch, und das dulde ich nicht im Haus. Wir sind ein offenes Haus, werden es immer sein. München ist bunt, und dafür stehen wir auch.“
Alle Verbindungen zu durchleuchten, herauszufinden, wer die schwarzen Schafe sind – das wäre sehr zeitaufwändig geworden. Also beschließen die Steinbergs, vorerst keine Reservierungen mehr von Verbindungen anzunehmen, bis sie eine Lösung gefunden haben, die problematischen herauszufiltern. Denn so ein Ausrutscher soll nie wieder vorkommen. An diesem Montag also geht das Absageschreiben heraus. An welche Verbindung, das will Ricky Steinberg nicht sagen. Er will niemanden hinhängen.
Schlechte neue Bewertungen für den Hofbräukeller beim Internet-Portal Tripadvisor.
Wenig später sinkt im Internet das Ranking der Wirtschaft.
Offenbar hat die abgelehnte Verbindung das Ablehnungsschreiben verbreitet und gegen den Hofbräukeller mobil gemacht.
Ricky Steinberg will das nicht so hinnehmen. Er will erklären – und postet einen Beitrag auf der Facebookseite des Hofbräukellers. „Vielleicht war das leichtsinnig“, sagt er im Nachhinein. Er schreibt darin, der Hofbräukeller sei ein weltoffenes und gastfreundliches Restaurant, das seit jeher Parteien, Verbindungen und Vereinigungen jeder Couleur bewirte – vorausgesetzt, sie gehören nicht extremen Flügeln an.
„Intoleranz und Ausgrenzung Andersdenkender“
Dass es aber Vorfälle von Bepöbelung des Personals und anderer Gäste, Beschädigung des Inventars und dem lautstarken Gesang rechtsradikaler Lieder gegeben habe. Dass der Hofbräukeller es bedauere, mit der neuen Reservierungspolitik möglicherweise auch studentische Vereinigungen ausschließe, die sich ordentlich und sittengemäß verhalten, aber das Lokal sich vorbehalte, Reservierungen studentischer Vereinigungen bis auf weiteres äußerst restriktiv zu behandeln. Unter diesem Post finden sich bis gestern Nachmittag beinahe 300 Kommentare. Da heißt es:
* „Ich kann für diese Wirtschaft nur hoffen, dass sie einige Tage wieder in tolerante Hände gerät“
* „Intoleranz und Ausgrenzung Andersdenkender hat in München wieder Konjunktur.“
Und das sind noch zwei von den harmloseren. „Diskriminierung“, schreiben einige, man solle mal das Wort studentische Vereinigungen im Post durch Juden ersetzen und bezeichnen den Hofbräukeller als rechts: „Sippenhaft gab es zuletzt im Dritten Reich.“
Schlechte neue Bewertungen für den Hofbräukeller beim Internet-Portal Tripadvisor.
Ricky Steinberg verfolgt die Diskussion fassungslos. „Uns geht es nicht darum, Leute zu diskriminieren oder auszugrenzen“, sagt er. „Und wir wollen auch einen Weg finden, wie wir uns sicher sein können, dass wir keinen Stress mehr mit Verbindungen haben. Aber das – das ist eine Hetzkampagne.“
„Das ist Sippenhaft“
Gerhard Serges, der Pressesprecher vom Convent deutscher Akademikerverbände, hat den Vorfall am Rande mitbekommen. „Es ist nicht verboten, in einem Biergarten zu singen, aber es schickt sich sicherlich nicht“, sagt er. „Wenn der Biergarten jetzt kollektiv Studentenverbindungen ausschließt, ist das für mich Sippenhaftung. Für die Verfehlungen einzelner kann doch die Gemeinschaft nichts.“
Onlinebewertungen sind sehr wichtig für ein Restaurant, viele Leute richten sich danach. Und die Kommentatoren wissen um ihre Macht. „Im Gegensatz zu einem linken Gutmenschen-Shitstorm haben Sie es hier mit Leuten zu tun, die diese berechtigten 2000 1-Stern-Bewertungen binnen weniger Stunden wieder verschwinden lassen, wenn ihnen die Hand gereicht wird“, schreibt einer.
Aber Ricky Steinberg will sich weder bedrohen noch erpressen lassen.
„Ich finde diese Kommentare und Vergleiche unmöglich. Das ist Rufmord und hat mir der Sache überhaupt nichts mehr zu tun“, sagt der Wirt. Er tröstet sich damit, dass sein Post auch über 100 Likes hat. „Ich glaube, einige unserer Gäste freut es, dass wir Flagge zeigen. Wir wollen einfach keine braune Propaganda in unserem Haus.“
Online mag ein Shitstorm toben, aber über München scheint meist die Sonne. Über ausbleibende Gäste kann sich der Biergarten noch nicht beklagen.