Die S-Bahn-Schleuse: Wasserschutz im Untergrund

Im Untergrund schützen zwei Tore die Stammstrecke vor einbrechendem Wasser. Die AZ war auf den Gleisen, hat die Isar plätschern gehört und die Tore gesehen.
München - Elf Meter unter der Wasserlinie rauschen am Isartor fast im Minutentakt die S-Bahnen durch. Fahren die Bahnen nicht, plätschert stetig das Sickerwasser, das ebenso stetig wieder abgepumpt wird.
Doch wenn die Isar mit aller Gewalt in den S-Bahntunnel drücken sollte oder durch ein Loch herein käme, wäre das kein nettes Plätschern mehr, sondern eine Katastrophe, die die ganze Stadt trifft. Die Stammstrecke wäre gesperrt. Denn vom Isartor zum Marienplatz geht es im Untergrund nur bergab, das Wasser würde bis zum Marienplatz schwappen. 50 Tonnen Stahl können das verhindern.
Weil wegen der Bauarbeiten keine S-Bahnen auf der Stammstrecke unterwegs waren, durfte die AZ am Sonntag auf die Gleise am Isartor. Florian Kubelka, Herr des Wehrkammer-Tore, erklärt, wie der S-Bahntunnel vor Wasser geschützt wird und ließ ein Tor zur Probe herunter fahren.
Die zwei Wehrkammer-Tore, die denen einer Schleuse ähneln, wurden schon 1972 eingebaut und sind seitdem 364 Tage im Jahr ungenutzt. Der Alarmfall ist noch nie eingetreten, trotzdem wird die Anlage regelmäßig erneuert. Heuer wurden Motor und Bremsen ausgetauscht, 2012 die Steuerung. 400000 Euro hat das insgesamt gekostet.
„Wasser könnte nur über einen Schaden, also ein Loch eintreten. Der schlimmste Fall wäre, wenn die Isar durchbrechen würde“, sagt der Anlagenbeauftragte Kubelka. Einmal im Jahr werden die 25 Tonnen Stahl-Tore für diesen „Worst Case“ getestet.
Zwei Minuten brauchen die Tore, bis sie unten sind und dicht schließen. Wenn sie herunter fahren, hört es sich an wie ein Bohrer. Im Notfall greift ein ausgeklügeltes System, das auf alle Eventualitäten vorbereitet ist.
Die Gleise liegen auf einer Art Wanne, die drei Meter tief ist. Steigt das Wasser 230 Zentimeter unter die Schienenoberkante, wird ein Alarm ausgelöst, ein weiterer wenn es einen Meter unter der Kante ist und der letzte Alarm, wenn das Wasser die Schienen erreicht hat.
Schon beim ersten Alarm wird der Abschnitt zwischen Isartor und Marienplatz evakuiert. Der Fahrdienstleiter gibt in der Zentrale ein Kommando ein, dass er zweimal bestätigen muss. So werden die Tore nicht aus Versehen betätigt. Bei Stromausfall springt eine Batterie ein, die die Tore betreibt. „Fällt das aus, gibt es einen Notfallhebel im Maschinenraum, den wir umlegen. 25 Tonnen Stahl kommen auch von allein runter“, sagt Kubelka.
Der Maschinenraum ist im Rettungsschacht an der Ludwigsbrücke. Hier ist auch ein Gulli, über den Wartungstaucher im Notfall über einen Schacht zur Stammstrecke tauchen könnten. Ein Notfall, der auch weiterhin bitte nicht eintreten soll.