Die Russen kommen

Dass München eine schöne Stadt ist, hat sich jetzt offenbar auch bis an die Moskwa herumgesprochen: Immer mehr Russen besuchen unsere Stadt. Und die reagiert auf den wachsenden Tourismus – in manchen Gaststätten gibt’s sogar schon kyrillische Speisekarten. Was den Russen hier so gefällt, wie Investoren die Stadt verändern...
von  Abendzeitung
So weit ist's noch nicht: Frauenkirche mit Kremlturm
So weit ist's noch nicht: Frauenkirche mit Kremlturm © AZ-Montage Wimmer

MÜNCHEN - Dass München eine schöne Stadt ist, hat sich jetzt offenbar auch bis an die Moskwa herumgesprochen: Immer mehr Russen besuchen unsere Stadt. Und die reagiert auf den wachsenden Tourismus – in manchen Gaststätten gibt’s sogar schon kyrillische Speisekarten. Was den Russen hier so gefällt, wie Investoren die Stadt verändern...

Es gibt Momente, da macht selbst ein ausgebuffter Verkäufer wie Christian Stempfhuber große Augen: Zum Beispiel damals, als ein kräftiger Russe in Jogginghose und Badelatschen die „Dolce & Gabbana“-Filiale in den Fünf Höfen betrat und dann fast den halben Laden leerräumte: „Mitunter kaufen unsere russischen Kunden 20 Designerstücke auf einmal“, berichtet der Store-Manager. „Der Preis ist völlig egal.“

Es ist wie eine kleine Invasion. Allein in den ersten drei Monaten des neuen Jahres ist die Zahl russischer Touristen in München um stolze 30 Prozent gestiegen. 46 488 Übernachtungen zählte das Fremdenverkehrsamt von Januar bis März – die meisten davon in Luxus-Hotels mit vier oder mehr Sternen.

Besonderer Wert auf Essen und Wein

Kein Wunder, dass Innegrit Volkhardt, die Chefin des Hotels „Bayerischer Hof“, auf die osteuropäischen Gäste gut zu sprechen ist. Immerhin 3,5 Prozent ihrer Besucher kommen bereits aus Russland. „Sie bevorzugen den Aufenthalt in unseren Suiten, legen besonderen Wert auf sehr gutes Essen und sehr gute Weine", berichtet die Hotel-Chefin. Neben den arabischen Gästen zählen sie zudem zu den Patienten, die sich in Münchens Privatkliniken mittlerweile am häufigsten behandeln lassen. Im Schnitt residieren sie 2,5 Tage in der Stadt – deutlich länger als Japaner oder auch Briten.

Viele bleiben aber auch für immer. Der Immobilienverband Deutschland (IVD) Süd beobachtete derzeit eine „besonders starke Nachfrage von osteuropäischen Investoren“. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf Münchens Nobel-Vorort Grünwald. „Es gibt da eine Reihe wohlhabender Personen aus Russland, die an der Gemeinde großen Gefallen gefunden haben“, erklärt Ralf Sorg, der Geschäftsführer des IVD Süd. Aber auch auf einen Teil des ehemaligen Klosters St. Anna sind die reichen Investoren scharf. Immerhin drei der 33 exklusiven Luxuswohnungen, die die Bayerische Hausbau derzeit im Lehel errichtet, gingen mittlerweile an osteuropäische Investoren.

Russischsprachige Makler

Auch bei Engel & Völkers hat man deshalb bereits reagiert: In den Filialen des Nobel- Maklers in und um München beschäftigt das Unternehmen mittlerweile drei russischsprachige Mitarbeiter: „Dadurch können wir unsere russischen Kunden adäquat betreuen“, erklärte Sprecherin Christine Dempf.

Einen anderen Weg geht Karl Langegger. Außer auf Deutsch gibt’s die Speisekarte in seiner Traditionsgaststätte „Zum Spöckmeier“ seit kurzem auch auf Kyrillisch. „Irgendwann wurden die Sprachprobleme mit unseren zahlreichen russischen Gästen so groß, dass wir uns nicht mehr anders zu helfen wussten“, erzählt der Gastronom. Zudem beschäftigt Langegger einige Bedienungen aus der ehemaligen DDR, die der russischen Sprache mächtig sind: „Das ist ein großer Vorteil bei der Verständigung.“

Sieben Flaschen Wodka in ein paar Stunden

Ganz problemlos ist der Umgang mit den osteuropäischen Gästen für Langegger trotzdem nicht. Als der Wirt vor kurzem eine Gruppe von 16 russischen Touristen zu Gast hatte, waren seine sieben Flaschen Wodka, die er noch im Keller stehen hatte, in wenigen Stunden geleert: „Ich bin dann schnell zum Donisl gerannt und habe mir dort noch eine Kiste ausgeliehen.“

Auch auf dem Oktoberfest hat man sich mittlerweile auf die trinkfeste Klientel eingestellt: „Wenn sie es wünschen, bekommen sie im Zelt sogar Wodka“, heißt es bei der Wirte-Familie Kuffler. Fast alle Wirte verzeichnen heuer eine steigende Nachfrage von russischen Gästen. „Das Interesse nach Plätzen wird immer größer", sagt Wiesn-Wirt Sepp Krätz, der vor drei Jahren sogar schon Öl-Milliardär Roman Abramowitsch zu Gast hatte. Bei der Bedienung soll sich der Multi-Millionär für den feuchtfröhlichen Abend im Hippodrom mit einem oligarchischen Trinkgeld in Höhe von satten 1000 Euro bedankt haben.

Russen und Bayern gar nicht so verschieden

Ganz so viel Zuschlag hat Inga Varvarenko nicht gegeben, als sie am Montag mit ihrer Freundin im Hofbräuhaus zu Mittag aß. Genau wie ihrem reichen Landsmann hat’s der Sankt Petersburgerin in München gut gefallen: „Wissen Sie“, sagt sie, „Russen und Bayern sind gar nicht so verschieden, wie man denken möchte.“ Im Gegenteil: „Wir lieben beide Würste und Bier.“ So einfach kann Völkerverständigung sein.

Daniel Aschoff

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.