Die rot-grüne Eiszeit im Münchner Rathaus

Seit 1990 regieren SPD und Grüne gemeinsam die Stadt München – das älteste Bündnis Deutschlands. Jetzt wird der Ton immer rauher und aggressiver. OB Ude (SPD): „In den Osterferien müssen alle in sich gehen.“
von  Abendzeitung
Der große Sitzungssaal im Münchner Rathaus. Dort wird die Stadtpolitik gemacht.
Der große Sitzungssaal im Münchner Rathaus. Dort wird die Stadtpolitik gemacht. © Ronald Zimmermann

MÜNCHEN - Seit 1990 regieren SPD und Grüne gemeinsam die Stadt München – das älteste Bündnis Deutschlands. Jetzt wird der Ton immer rauher und aggressiver. OB Ude (SPD): „In den Osterferien müssen alle in sich gehen.“

Vor einem Jahr verließ OB Ude einmal türenknallend die Bündnisverhandlungen mit den Grünen. Der Knall hallt bis heute nach, denn SPD und Grüne reagieren zunehmend gereizter aufeinander. Der jüngste Anlass: Dass OB Christian Ude die Bundeswehr am 30. Juli zum Gelöbnis auf den Marienplatz lässt. „Die Zeremonie ist ein vordemokratisches Ritual“, raunzt Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker. Ude stichelt zurück: „Die Karriere eines jeden grünen Stadtrats beginnt mit der Vereidigung am Marienplatz!“

So wird die Stimmung immer gereizter. Das hat viel mit dem persönlichen Umgang Einzelner zu tun und mit den Reizthemen:

Umweltzone: Da preschen die Grünen zu schnell vor – sagen die Roten. „Umweltreferent Joachim Lorenz hat die von ihm geplante Verschärfung nicht mit der SPD abgesprochen, ätzte SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. Grünen Stadträtin Sabine Krieger polterte zurück: „Ich appelliere an die SPD, nicht vom Koalitionsvertrag abzuweichen. Dies wäre ein ernster Vorgang und würde unser Vertrauen in den Koalitionspartner schwer erschüttern.“

Heizstrahler: Die Grünen wollten sie nicht auf Freischankflächen. Da giftete Reissl den grünen Bürgermeister Hep Monatzeder an: Dessen Fernflüge seien schädlicher als alle Heizstrahler in München zusammen.

Gestritten wird auch um die Olympischen Winterspiele 2018 (die die Grünen nur ökologisch haben wollen), um die zweite Stammstrecke (die Grünen favorisieren den Südring) und um die dritte Startbahn.

Die erstarkten Grünen treten selbstbewusster auf

„Die Grünen sind im Rathaus der kleinere Partner, was sie nicht gerne hören, aber rechnerisch nachweisbar ist“, zählte OB Ude kürzlich nach. In der SPD-Fraktion heißt es radikaler: „Da kommen Ich-bezogene Menschen und erklären uns die Welt.“ Die Grünen seien ein „schwieriger Partner geworden,weil sie kein Verständnis für Selbstdisziplin aufbringen.“ Jeder Grünen-Stadtrat habe seine eigenen Themen und könne öffentlich damit auftreten. Das ärgert SPD-Stadträte und macht manchen neidisch. Die SPD-Devise: „Wir können es nicht zulassen, dass bei uns jeder macht, was er will.“

Die thematischen Differenzen könne man auffangen, meint ein SPD-Stadtrat: „Das haben wir 18 Jahre lang getan. Aber es ist heute eine Frage des Umgangs untereinander geworden.“

Da kontert Grünen-Fraktionschef Benker: „Es fehlt in der SPD an Leuten, die einen rot-grünen Blick auf Themen haben.“ Es sei „in der Tat schwieriger“ geworden. – Das liegt auch daran, dass die erstarkten Grünen viel selbstbewusster auftreten.

„Die SPD hat ein Problem damit, dass die Grünen die Themen und den Takt vorgeben“, sagt Benker: „Die SPD hat größte Schwierigkeiten, inhaltliche Positionen zu finden, weil die Fraktion gegensätzliche Strömungen hat.“ Zudem nähmen ihr interne Konflikte die Kraft, Themen zu bestimmen und sich zügig eine Meinung zu bilden. Viele Grünen stoßen sich auch am ruppigen Umgang des SPD-Fraktionschefs Reissl. Der ist als „Grünenfresser“ verschrien. Da mahnt Ude alle: „In den Osterferien haben beide Seiten Gelegenheit, in sich zu gehen.“

Willi Bock

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