Die Reisebranche demonstriert auf dem Odeonsplatz

In mehr als 30 Städten hat die Reisebranche am Mittwoch für Beihilfen demonstriert - auch in München. Viele stehen offenbar vor dem Aus.
von  Hüseyin Ince
"Wir arbeiten alle gerade doppelt und bekommen kein Geld", sagt Ariane Petzi.
"Wir arbeiten alle gerade doppelt und bekommen kein Geld", sagt Ariane Petzi. © von Loeper

München - München, Köln, Berlin, Düsseldorf, Leipzig, Dortmund: In mehr als 30 Städten haben am Mittwoch Unternehmer der Reisebranche demonstriert. In München standen 40 Vertreter des deutschen Touristik-Mittelstandes bei strömendem Regen mit Abstand auf dem Odeonsplatz.

Sie fordern neben der Soforthilfe schnelle Staatshilfen. "Viele Kollegen stehen vor dem Aus. Wir arbeiten derzeit Tag und Nacht – und haben null Einnahmen", sagt die Initiatorin der Münchner Demonstration, Silke Rauch. Grund für die Dauerarbeit sei die Rückabwicklung von bereits geschlossenen Reiseverträgen. Sie wurden zu einem großen Teil 2019 vereinbart, für Reisen im Jahr 2020. Rauch arbeitet seit 30 Jahren in der Branche und hat ein eigenes Unternehmen in Mühldorf am Inn, mit drei Mitarbeitern.

Reisebranche in Corona-Krise: "Uns hat man vergessen"

Laut den Protestierenden ist vielen Politikern die Sondersituation der Branche nicht klar. "Im Gegensatz zu Großkonzernen werden wir nicht massiv unterstützt", sagt Claudia Mades, Sprecherin des Touristik-Bündnisses am Odeonsplatz, "1,8 Milliarden Euro hat TUI vom Staat erhalten – und zwar ohne Auflage, mit dem Geld auch die kleinen Reisevermittler wie uns zu entschädigen." Niemand habe was gegen TUI, betont Rauch, aber "das wirkt alles nicht durchdacht. Uns hat man vergessen".

Niemand habe was gegen TUI, aber "das wirkt alles nicht durchdacht", sagt eine Sprecherin des Touristik-Bündnisses am Odeonsplatz.
Niemand habe was gegen TUI, aber "das wirkt alles nicht durchdacht", sagt eine Sprecherin des Touristik-Bündnisses am Odeonsplatz. © dapd

Dabei werden laut Mades 50 Prozent des deutschen Reiseumsatzes über eben jene kleinen Reisebüros erzeugt. 2,9 Millionen Arbeitsplätze zähle man hier. "Wir haben alle Grundkosten", sagt Rauch, "sehr viele Kollegen haben Existenzangst."

München demonstriert also wieder, trotz Corona und unter Auflagen. 40 Protestierende waren am Mittwoch nur zugelassen. Die traditionelle Maikundgebung (DGB-Seiten) und auf muenchen.dgb.de.

Was treibt die Protestierenden dazu an, auf die Straße zu gehen?

Silke Rauch (54), Initiatorin der Touristik-Demo in München: "Wir alle haben derzeit Dauerarbeit. Teilweise telefoniere ich um drei Uhr nachts mit Kunden, die am anderen Ende der Welt festsitzen. Andere wiederum berate ich, weil sie nicht wissen, ob und wann sie reisen können, ob es möglich ist, zu stornieren, oder auf 2021 zu verschieben. Ich liebe meinen Job. Aber wie meine Kollegen habe ich Grundkosten. Fachverbände haben bereits die zuständigen Ministerien angesprochen. Die Politik lässt uns im Regen stehen."

Sebastian Schwarz (40), betreibt mehrere Reisebüros, eines davon in München: "Ich bin Vater von kleinen Zwillingen. Da macht man sich schon seine Gedanken, wie das weitergeht. Meine Angestellten sind alle in Kurzarbeit. Ich wollte heute demonstrieren, ein Zeichen setzen, nicht mehr in den Tag hineinleben, um abzuwarten, was passiert. Jetzt hat das Auswärtige Amt seine Reisewarnung erweitert, bis 14. Juni. Das Geschäft im Juli und August wäre enorm wichtig, auch wenn es verhalten losgehen wird."

Ariane Petzi (42), Reiseverkehrskauffrau: "Ich demonstriere, weil die Politik uns in der Coronakrise einfach nicht berücksichtigt und kein Gehör für uns hat. Aufgrund weltweiter Einschränkungen ist Reisen nicht möglich, dadurch können wir keine Buchungen machen. Wir arbeiten alle gerade doppelt und bekommen kein Geld. Ich bin wütend und entsetzt. Die Schockstarre vom Anfang musste man erst einmal überwinden. Aber ich wünsche mir jetzt klare Ansagen von der Politik und Unterstützung."

Dirk Brunner (39), Reiseverkehrs-Experte: "Ich demonstriere, weil wir etwas tun müssen, um von der Politik wahrgenommen zu werden. Es geht um die Existenz von sehr vielen Mitarbeitern in der Reisebranche. Uns hat es als erstes und wohl mit am härtesten getroffen, aufgrund der Beschränkungen in der Coronakrise. Die Reisebranche wird sehr wahrscheinlich auch eine der letzten sein, die sich wieder erholt."

Lesen Sie hier: Freinacht in der Corona-Krise - Polizei warnt

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.