Die Qualen der Grünen mit den Posten

Bei Rot-Grün im Rathaus ist die Stimmung gespannt. Vorige Woche musste die SPD aus Bündnisdisziplin den Grünen-Stadtrat Boris Schwartz (50) mit zum Kommunalreferenten wählen, obwohl dem wohl die vorgeschriebene Kompetenz fehlt.
München - Gestern wurde dann der Grünen-Fraktionsvorsitzende Siegfried Benker mit großer Mehrheit im Aufsichtsrat zum Chef der städtischen Altersheime gewählt. Die AZ erklärt den Unfrieden.
Der Schwartz-Schmerz
Manche Sozialdemokraten sind neidisch auf die Grünen: Die würden mit viel mehr Druck ihre Interessen durchsetzen. Die Schwartz-Personalie ärgert viele Stadträte – die aber erst nach der Wahl aufmucken. „Was hätten wir denn machen sollen?“ fragt ein Genosse: „Die Grünen hatten das Vorschlagsrecht.“
Doch die hätten „so ziemlich alles falsch gemacht, was man bei der Bewerbung falsch machen konnte“, meint ein anderer: Sie hätten einen ausgesucht, „von dem glasklar ist, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt“, und sie hätten schon vor dem Bewerbungsschluss gesagt: Der wird’s. Und dann habe die Grünen-Fraktionschefin Lydia Dietrich im Stadtrat in einer „unterirdischen Rede“ der Regierung von Oberbayern und den Gerichten alle Argumente geliefert, die diese jetzt gegen Schwartz vorbringen könnten. Sie hatte unmissverständlich erklärt, dass er eine reine Parteibuchbesetzung sei.
Wie sich da die Genossen fühlen? „Glückseligkeit fühlt sich anders an“, meint einer.
In den nächsten Tagen bekommt die Regierung die angeforderten Unterlagen, um Schwartz’ gesetzliche Kompetenz zu prüfen. Sollte er von der Regierung und den Gerichten abgelehnt werden, gebe es noch „zwei bis drei“ gute Kandidaten aus der Bewerberrunde, heißt es bei SPD und CSU. Der Stadtrat kann aber auch andere Leute auswählen.
Altwerden mit Benker
Gestern Nachmittag trat der zweite Grüne für eine städtische Spitzenposition an: Siegfried Benker (54), Fraktionschef, wird im nächsten Jahr Chef der städtischen Altersheime im Münchenstift. Jahresgehalt: Rund 120<TH>000 Euro. Amtsinhaber Gerd Peter (SPD) geht dann in den Ruhestand.
Der Unterschied zum Fall Schwartz: Für eine Geschäftsführerbesetzung gibt es keine gesetzliche Regelung. Er wird vom Aufsichtsrat gewählt. Darin hat Rot-Grün fünf von 15 Stimmen. Fünf Mitglieder sind Arbeitnehmer und zwei auswärtige Experten.
CSU und FDP im Aufsichtsrat wollten die Stelle ausschreiben – die anderen nicht. Dafür gab es keine Mehrheit. Es wurde auch von niemandem ein anderer Kandidat vorgeschlagen. Benker wird auch von CSU-Mitgliedern Kompetenz bescheinigt.
Dennoch geißelt Fraktionschef Josef Schmid Benkers Wahl: „Nach den Parteibuchbesetzungen bei den Kliniken und im Kommunalreferat ist die Besetzung des Geschäftsführerpostens mit Benker ein weiterer Fall der Selbstbedienung von Rot-Grün.“ Da solle jemand „mit einem lukrativen Posten versorgt werden“.
Benker ist seit Jahren der Sozial-Sprecher der Grünen. Er sagt: Im Studium seien Jugend, Familie und Senioren seine Schwerpunkte gewesen. Er habe jahrelang Schwerstbehinderte gepflegt. Er kenne das Haus, weil er seit 16 Jahren im Aufsichtsrat ist. Auch Bürgermeisterin Christine Strobl hält ihn für kompetent.
Wo Grüne scheiterten
Jüngst ist den Grünen eine Besetzung übrigens misslungen: Sie hatten das Vorschlagsrecht für den Chefposten der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS). Der grüne Amtsinhaber Helmut Steyrer ging in Ruhestand. Die Grünen fanden niemanden, so wurde ein Parteiloser aus der GWG dort Chef.
Eine Frage der Qualität
AZ-Rathaus-Reporter Willy Bock über den Beförderungs-Ärger:
Kann der den Job? Das ist eine ganz simple Frage. Doch wenn dabei Politik, Proporz und Parteibuchwirtschaft mitschwingen, wird’s problematisch. Das erleben gerade die Grünen und ihre Rathausgenossen.
Es ist ihr Geheimnis, warum sie zwei strittige grüne Topbesetzungen unbedingt in einer Woche durchziehen müssen. Bei Boris Schwartz ist die SPD so verfahren: Augen zu – und durch. Und Sigi Benker? Den kennen die Meisten als einen Ur-Linken, der alle wichtigen Demokratie-Demonstrationen anführt.
Doch die Frage „Kann der das?“ muss für das wichtige Amt als Altersheim-Chef offensiv gestellt werden. 16 Jahre im Aufsichtsrat oder im Stadtrat zu sitzen, sind kein Qualifikationsmerkmal. Das muss man in anderen Institutionen oft genug leidvoll erleben.