Die Phantasie dreht Pirouetten
Im Buchheim Museum lernen Kinder sehen – und was es mit der Abstraktion auf sich hat
Die haben ja kurze Haare!“, ruft ein aufgewecktes brünettesMädchen der Klasse 2a aus Baierbrunn. Zuerst lässt Bozena Frei, die polnische Museumspädagogin mit dem charmanten Schweizer Dialekt, die Kinder den Titel des Bildes raten. Die tollsten Dinge kommen da zu Karl Schmitt-Rottluffs „Drei Frauen am Meer“. Dann sollen drei Mädchen die Szene nachstellen: Auf diese Weise wird das Gefühl von Einsamkeit der voneinander abgewandten Frauen anschaulich und den Kindern die Modernität expressionistischer Kunst näher gebracht.
Die Wahrnehmung der Kinder schärfen, sie im Sehen unterrichten, das will die ehemalige Gymnasiallehrerin mit ihren interaktiven Führungen erreichen. Und das gelingt ihr hervorragend, wenn sie den Kindern einfühlsam die expressionistische Form- und Farbenwelt erklärt, indem sie etwa neben eine norwegische Landschaft Originalfotografien legt oder die Kinder aus Farbschnipseln selbst ein Gemälde basteln lässt. Schwierige Kost wie die Subjektivität von Kunst, Verfremdung und Abstraktion werden so kindgerecht vermittelt. Und dann geht’s gleich weiter in die Südsee und nach Afrika: zu den afrikanischen Tanzmasken, die schon Maler wie Picasso heftig inspirierten.
Im Museum der Phantasie steht das aktive, sinnliche Wahrnehmen im Mittelpunkt. Das war das Konzept des Gründers Lothar-Günther Buchheim, der 2007 verstarb. Direkt am Ufer des Starnberger Sees bei Bernried hat der streitbare Sachse und Wahlbayer allen Widerständen zum Trotz sein Museums-Gesamtkunstwerk verwirklicht.
Der Universalist Buchheim malte, schrieb Romane („Das Boot“) und Kunstbücher, gründete einen Verlag, drehte Filme und fotografierte. Vor allem aber sammelte er leidenschaftlich alles, was er auf seinen zahlreichen Reisen und auf Auktionen fand: So vermischen sich im Buchheim-Museum die Gattungen, und die Grenzen zwischen Hoch- und Volkskultur werden bedeutungslos. Neben Lovis Corinth, Max Liebermann und den Werken der „Brücke“-Maler Ernst Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein findet sich außereuropäische und so genannte primitive Kunst. Dann gibt es da noch eine kuriose Sammlung von über 4000 Buchbeschwerern, knallbunten PiPaPop-Plakaten, Flipperautomaten, Hinterglasbildern, Flaschenschiffen und vielem mehr.
Auch die Arbeiten von Autodidakten wie dem Bauernmaler Max Raffler vom Ammersee oder die farbig bemalten Holzskulpturen von Hans Schmitt sind bei Kindern besonders beliebt. Freuen dürfen die Kleinen sich auch beim „Riesen Zirkus Buffi“ mit seinen Kunstreitern, Clowns, Jongleuren und Akrobaten oder bei den fantastischen, aus Blättern gebildeten Tieren in der Dittis-Blätter-Manegerie.
Den Schulkindern aus Baierbrunn jedenfalls hat’s ziemlich gut gefallen. Und sie wollen auch alle wiederkommen.
Sebastian Heidrich
Wo: Buchheim Museum, Am Hirschgarten 1, Bernried am Starnberger See.Öffnungszeiten: Bis Ende März von Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr. Eintritt: 8,50, ermäßigt 3,50 Euro, Kinder bis 5 Jahre frei, Familienkarte (2 Erw., 3 Kinder) 18 Euro. Führungen:Ohne Voranmeldung Samstag, Sonntag, Feiertag 14.30 Uhr, 2,50 Euro plus Eintritt. Führungen für Kinder unter 6 Jahren mit Malen und Zeichnen, nach Voranmeldung 5 Euro. Information: 08158/ 99 70 50, www.buchheimmuseum.de
- Themen:
- Hirschgarten
- Pablo Picasso