Die Oma mit den flinken Fingern

Für viele junge Münchner Eltern sind Leihomas und -opas unverzichtbar. Die AZ hat eine von ihnen begleitet.
Susanne Brandl |
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Die kleine Samira mit ihrem Windrad
Katharina Alt 8 Die kleine Samira mit ihrem Windrad
Gemeinsam basteln die vierjährige Samira unf ihre Leihoma Jutta an einem Windrad.
Katharina Alt 8 Gemeinsam basteln die vierjährige Samira unf ihre Leihoma Jutta an einem Windrad.
Gemeinsam basteln die vierjährige Samira unf ihre Leihoma Jutta an einem Windrad.
Katharina Alt 8 Gemeinsam basteln die vierjährige Samira unf ihre Leihoma Jutta an einem Windrad.
Weitere Fotos von Samira und Leihoma Jutta
Katharina Alt 8 Weitere Fotos von Samira und Leihoma Jutta
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Katharina Alt 8 Weitere Fotos von Samira und Leihoma Jutta
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Katharina Alt 8 Weitere Fotos von Samira und Leihoma Jutta
Weitere Fotos von Samira und Leihoma Jutta
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München - Zehn flotte Fingerchen greifen nach Buntpapier und hantieren etwas ungelenk mit Schere und Kleber. Sie brauchen noch Hilfe: Von erfahrenen älteren Händen, in die sich schon Falten und Furchen eingegraben haben. Die kleine Samira und „Oma Jutta“ sitzen am Wohnzimmertisch und haben ihre Bastelsachen ausgebreitet. Oma Jutta ist bei Samira zu Besuch, sie passt auf die Vierjährige auf, denn Mama und Papa stecken tief im Geschäftsleben und müssen viel arbeiten.

Doch auch Samira hat für ihre Eltern gerade wirklich keine Zeit. Mit hochroten Wangen versinkt sie im Bastelfieber, angesteckt von Oma Jutta. Die hatte schon als Kind vor knapp 70 Jahren Windmühlen gebaut und kann nach so langer Zeit auch noch Samira dafür begeistern.

Das kleine blonde Mädchen fixiert mit weit aufgerissenen Augen ihren goldenen Windmühlenturm, der eben noch die schmucklose Pappe einer aufgebrauchten Küchenrolle war. Sie spitzt den Mund und scheint nicht ganz zufrieden, vergisst aber in ihrer Konzentration alles um sich herum. „Das ist gar nicht so leicht“, bemerkt Oma Jutta, die Samira immer wieder beim Ausschneiden und Bekleben der grauen Pappe behilflich ist. Und dann sagt Jutta unbedacht „Wir kriegen keinen ersten Preis“, doch sie verbessert sich sogleich: „Ich krieg' keinen ersten Preis.“ Und Samira ergänzt mit heiserem Kinderstimmchen: „Ja, ich kann das besser“.

Über Juttas freundliches Gesicht huscht ein gutmütiges Lächeln. Sie hat eine warmherzige, sehr vitale Ausstrahlung, von großmütterlicher Strenge ist nicht viel zu sehen. Sie ist fit für ihre 73 Jahre, kleidet sich schick und hat volles rotbraunes Haar.

Samira nennt sie „Oma Jutta“ und doch ist Jutta Schabbeck nicht verwandt mit der Kleinen. Sie ist ihre Leihoma und Samira ist Juttas „Leihenkelin“. Jutta Schabbeck hat keine Kinder, sehnte sich aber nach Enkeln und fand über das Internet den Münchner „Oma-Opa-Service“. Hier betreuen ältere Herrschaften, „Leihomas/-opas“, ehrenamtlich Kinder, deren Eltern berufstätig sind. Und so haben Jutta und Samira zusammengefunden. Seit drei Jahren kennen sie sich schon. Im Gegensatz zu Jutta, die keine echten Enkel hat, hat Samira sehr wohl leibliche Großeltern.

Doch die leben an der holländischen Grenze und sind nicht oft in München. Wenn sie zu Besuch kommen, dann unternehmen Oma, Oma Jutta und Samira auch mal was zu dritt. „Da ist die richtige Oma natürlich der King, aber das nehme ich hin“, gibt Jutta zu. Sie empfinde sich selbst als wirkliche Oma, sagt sie und sie fühle sich Samira wie einer echten Enkelin verbunden. Oma Jutta holt Samira jeden Mittwoch vom Kindergarten ab und dann gehen sie auf den Spielplatz, schnabulieren Kuchen, schlecken Eis, schauen im Tierpark nach den kleinen Eisbären oder gehen ihrer Lieblingsbeschäftigung nach – dem Malen und Basteln.

Nachdem die kleine Samira noch nie echte Windmühlen gesehen hat, packt sie jetzt die Reiselust. „Oma Jutta, verreisen wir!“ schlägt sie vor und holt ihren Koffer aus dem Schrank. Jutta und Samira gehen oft zu zweit auf Reisen – immer nach Tunesien oder an den Gardasee – doch alles nur im gemeinsamen Kopfkino.

In Wirklichkeit bleiben sie im Kinderzimmer, aus dem Koffer wird ein Schiff und aus dem Bett wird das Meer. Die drei bis vier Stunden, die Oma Jutta und Samira einmal in der Woche miteinander verbringen, verwandeln sich so in unbegrenzte Ereignisräume, die Zeit und Welt vergessen machen.

Jutta würde sich aber nicht zutrauen, die Kleine ein ganzes Wochenende lang zu betreuen, denn Samira sei um 7 Uhr früh schon munter und abends um 22 Uhr manchmal immer noch nicht ins Bett zu kriegen. „Die hat eine Energie“, so Jutta. Sie selbst kann diese Kräfte nicht mehr aufbringen.

Dass Samira „sehr durchsetzungskräftig“ ist, findet Jutta gut, aber für die Erziehung der kleinen Samira fühlt sie sich nicht berufen. Natürlich versucht sie die Prinzipien der Mama einzuhalten und Samira in manchen Dingen zu bremsen.

Aber gerade jetzt bei den leckeren Schokoeiern wird das schwierig: „Wir essen beide viel zu gerne Schokolade“, gesteht Jutta, „da müssen wir uns gegenseitig beaufsichtigen“.

Aber Omas dürfen zum Glück öfter mal ein Auge zu drücken. Das machen auch Juttas Freunde, alle Großeltern, die „ganz wild auf Enkel“ sind. „Enkel sind das Thema bei uns. Man lernt die Welt nochmal von Neuem kennen.“

Als Leihoma kann Jutta da mitreden. Und Geschichten gibt es von der lebhaften Samira genug zu erzählen.

 

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