Die Öko-Lüge aus dem Rathaus

Auf die umweltfreundliche Energieversorgung in München ist Rot-Grün mächtig stolz. Dass die Stadt nebenbei ein lukratives AKW betreibt, wird gern verschwiegen. Am Mittwoch ist das mal anders.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Auf die umweltfreundliche Energieversorgung in München ist Rot-Grün mächtig stolz. Dass die Stadt nebenbei ein lukratives AKW betreibt, wird gern verschwiegen. Am Mittwoch ist das mal anders.

Es gibt Themen, über die redet man bei den Stadtwerken und im Rathaus richtig gerne. Zum Beispiel darüber, dass man bis 2015 so viel Ökostrom produzieren will, dass damit sämtliche 800000 Haushalte in München versorgt werden können. Und dann gibt es da noch Themen, auf die die Stadt wenig stolz ist. Isar 2 ist so eines.

Denn ausgerechnet München, die Stadt mit dem dauerhaftesten rot-grünen Rathaus-Bündnis, ist eine von nur zwei Kommunen in Deutschland, die direkt an einem Atomkraftwerk beteiligt sind (die andere ist Bielefeld): Der bayerischen Landeshauptstadt gehören seit Jahrzehnten 25 Prozent am Meiler Isar2. Der sollte eigentlich nur noch bis 2020 am Netz sein. Doch mit der Laufzeitverlängerung kommen weitere 14 Jahre drauf.

Wie geht man damit um? Darüber wird am Mittwoch in der Vollversammlung gesprochen.

Eigentlich gibt es seit 1993 einen Stadtratsbeschluss, wonach die Stadt ihre Beteiligung loswerden will – aber nur unter „wirtschaftlichen Bedingungen“. Dieser Wunsch wurde schon mehrfach bekräftigt – heute dürfte es im Stadtrat mal wieder so weit sein.

Und doch bleibt es bei der Öko-Lüge: München, das sich so gerne als Vorreiter der Energiewende präsentiert, hat seinen Anteil nie verkauft. Man sei ihn nicht losgeworden, heißt es bei den Stadtwerken. Trotz Anzeige in der „Financial Times“. Und obwohl das Verkaufsinteresse bekannt ist. Dass es nicht klappen wollte, sei „auch der Unsicherheit über die Laufzeit geschuldet“.

Das deckt sich mit der Auskunft, die Grünen-Fraktionschef Sigi Benker gibt. „Wir haben alles versucht, diesen Anteil loszubringen.“ In dem Maße, wie es möglich gewesen sei, habe man die Verkaufsbemühungen kontrolliert. Benker schätzt, dass Münchens Stück am AKW-Kuchen eine Milliarde Euro wert ist. Die SWM machen dazu keine Angaben.

„Makaber“ sei es schon, dass eine rot-grüne Stadtregierung Kernkraftwerksbesitzer ist, findet der grüne Fraktionschef. „Aber man kann es auch nicht verschenken.“ Das, so heißt es bei den Stadtwerken, verbiete schon die Bayerische Gemeindeordnung.

In anderem Licht erscheinen die Verkaufsbemühungen jedoch, wenn man einer Auskunft Glauben schenkt, die am AKW-Standort selbst zu erhalten ist. Dort wurde der AZ auf Nachfrage erklärt: „In den technischen und kaufmännischen Abteilungen der Stadtwerke München hieß es bislang immer: Man ist hochzufrieden mit Isar 2 und will den Anteil nicht verkaufen.“ In München kann man diese Aussage nicht nachvollziehen.

Stadtwerke-Chef Kurt Mühlhäuser: „Die SWM haben sich immer gegen eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ausgesprochen und halten sie für einen Fehler.“

Was heißt es finanziell für die Stadt, wenn Isar2 auch künftig nicht an den Mann zu bringen ist? Die Stadtwerke sollen laut Mühlhäuser jährlich mit 45 Millionen Euro an Brennelementesteuer und Förderbetrag belastet werden. „Mögliche Mehrerlöse“ seien zum momentanen Zeitpunkt „reine Spekulation“. Zu unsicher sei die Gesetzeslage.

Darben wird die Stadt wegen Isar2 wohl trotzdem nicht. Laut Greenpeace macht ein durchschnittliches AKW am Tag eine Million Euro Gewinn. Julia Lenders

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