Die Nudel der Uiguren

Hier erzählen Leute von ihrem Wochenende: Zehra Spindler werkelt an ihrem neuen Projekt „Art Babel“ und schaut sich die Menschen an
Die "semifiktive Veranstaltungsgeneratorin" (42) hat Puerto Giesing maßgeblich mitgestemmt - jetzt gibt sie mit dem "Team from Hell" der Subkultur ein neues Zuhause im Norkauer Gebäude
Wenn ich ein Wochenende habe, mach ich abends gern mal nichts. Ich leg mich aufs Bett mit zwei Laptops, twittere, surfe auf Facebook und schaue fern. Und ich treffe mich oft gemütlich mit Nachbarn im Bavarese oder im Valentin Stüberl im Dreimühlenviertel. Da ist die Atmosphäre entspannt, kein elitäres Gesocks. Im Kirsch und Co. in der Herzog-Wilhelm-Straße sind oft tolle Vernissagen.
Wach bin ich immer früh, spätestens um sieben. Beim Frühstück arbeite ich einen Stapel Zeitungen durch. Wenn ich Geld habe, gehe ich gern shoppen – leider. Und im Hugendubel kann ich Stunden verbringen, in Bücher reinlesen und Leute beobachten.
Sozialstudien betreiben ist so ein Hobby von mir. Ich kann ewig in Cafés sitzen und zuschauen, wie die anderen miteinander umgehen. Oder auch mal in andere Schubladen springen und ein Hansi-Hinterseer-Konzert besuchen. Mich in unmögliche Situationen bringen.
Wenn man in der Innenstadt unterwegs ist, bietet sich das Prinz Myshkin in der Hackenstraße an, die haben sauleckeres Essen. Viel Veganes. Da setze ich mich dann rein und esse feines Mangoldzeugs. Dann brauche ich aber schnell wieder was Versautes – am Viktualienmarkt gibt es einen tollen Falafel-Stand.
Und bei den Uiguren in der Bayerstraße bin ich gern: Taklamakan Uyghur heißt das Lokal. Die haben ein Gericht namens Lägmän, das besteht quasi aus einer einzigen Nudel mit Gemüse und Soße. Und es macht immer Spaß, Leuten bei dem Versuch zuzuschauen, diese eine ewig lange Nudel aufzurollen. Ins Fitness-Studio gehe ich auch, wenn ich Zeit habe. Eben alles, worauf ich so Lust habe: Ich bin eine Lebefrau.
Neulich holte mich ein Kumpel mit dem Auto ab und wir wussten nicht so recht, wohin – auf diese Eisdiele am Gardasee hätte er Bock, sagte er. Worauf wartest du?, sagte ich. Also sind wir an den Gardasee gefahren, zum Eis essen. Sowas mache ich gern. Einfach an den Hauptbahnhof fahren und einen Zug nehmen, in Verona oder Südtirol landen, ein nettes Hotel nehmen und sich massieren lassen. Wenn Geld da ist, wie gesagt.
Puerto Giesing hat uns nicht reich gemacht. Wir hatten echt coole, aber sündhaft teure Bookings, die Einnahmen haben wir mit allen Veranstaltern geteilt. Und die Ausgaben waren enorm. Dafür haben wir viel für Münchens Ruf getan. Wir sind die Trümmerfrauen der Subkultur – wir machen aus Mehlschwitze ein Fünf-Gänge-Menü.
Früher habe ich mich in Berlin geschämt, zu sagen, ich komme aus München. Die kannten alle nur P1, Schicki Micki, Hofbräuhaus. Das hat sich geändert. München ist eine geniale Stadt, der Münchner dürfte schon ein bisschen stolzer auf sich sein.
Im Moment habe ich aber keine Zeit für Ausflüge. Wenn ich ein neues Projekt habe, ist mein Privatleben das Projekt. Aus dem Norkauer Gebäude in der Maxvorstadt machen wir, das Team from Hell, Art Babel – bis das Gebäude abgerissen wird. Ende Juni wollen wir aufmachen, bis Ende September läuft der Mietvertrag. Es wird wie Puerto Giesing, mit Galerie, Video-Kunst, jeder Menge Projekten, einer Tagesbar als Treff für Münchner und Künstler. Nur kleiner und kuscheliger, ohne die Raves. Stattdessen Bar-Atmosphäre.
Und Geschimpfe über Getränkepreise möchte ich nicht hören. Wieso denken die Leute immer, Kunst wäre umsonst?
"Art Babel" im Norkauer Gebäude, Dachauer Straße 27, ab Ende Juni