Die Not der Münchner Handwerker: Die Stadt gibt sich ratlos

München - Cappuccino statt Kfz, so ist das in Haidhausen. Früher, so hat es ein altgedienter Autoschrauber im Franzosenviertel mal erzählt, werkelte an der nächsten Ecke ein Kollege im Innenhof, daneben der nächste - und in die andere Richtung dasselbe Bild. Dutzende Werkstätten gab es einst im Viertel, heute kann man Autowerkstätten in Haidhausen an einer Hand abzählen - und braucht nicht einmal mehr die ganze Hand.
Geldige Nachbarn vertreiben Betriebe mit schwerem und lautem Gerät
Eine Tendenz, die es in der ganzen Innenstadt gibt - und eigentlich mittlerweile in der ganzen Stadt. Gewerke, die schweres Gerät brauchen und oder laut sind, werden besonders schnell vertrieben. Zu laut für die geldigen Nachbarn - das ist nur einer der Gründe. Heute diskutiert man im Stadtrat mal wieder über das Problem.
Die CSU hatte beantragt, mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, den Stadtwerken und Experten wie der Handwerkskammer zu beraten. Doch die Ergebnisse, die Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) vorlegt, lesen sich recht ernüchternd. Potenzial für viele neue Handwerksflächen auf städtischem Grund sieht auf jeden Fall keiner mehr.
Wohnraum war für viele wichtiger
Baumgärtner selbst gibt sich bei dem Thema sehr ungeduldig. "Das Narrativ, immer nur Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen zu bauen, muss durchbrochen werden", sagte er im Gespräch mit der AZ. Klassischem Handwerk müsste auf öffentlichen Flächen mehr Raum zur Verfügung gestellt werden - und das zu einem günstigen Mietzins. Baumgärtner betont, dass dem Handwerk sehr viel Platz verloren gegangen sei - der für Wohnraum umgewidmet wurde.
Elf neue mögliche Standorte für Gewerbehöfe der Stadt, wo Handwerk laut und schwer sein kann, hat die Verwaltung theoretisch in Vorbereitung. "Doch wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass die zugrundeliegenden Beschlüsse schon Jahre alt sind", schimpfte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Pretzl verweist auch auf die geplante Parkausweis-Preiserhöhung für Handwerker, die es den Betrieben zunehmend schwermachten.
Das bestätigt auch die Handwerkskammer, die der Stadt mitgeteilt hat, diese Erhöhungen verstärkten "Verlagerungsüberlegungen ins Umland". Ein Statement der Handwerkskammer vor der Stadtrats-Debatte klingt beinahe schon nach einem Hilferuf: "Die Stadt muss alle rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um die Betriebe an ihren angestammten Standorten zu halten", teilt man der AZ mit.
Tags in Bars arbeiten: Ein Ansatz der Grünen für Handwerker
Die Grünen hingegen hoffen auch auf kreative Lösungen. "Mehrfachnutzungen" von Gewerbeflächen könnten doch entlastend wirken, sagte Stadträtin Julia Post. "Eine Bar beispielsweise öffnet häufig erst in den Abendstunden. Mit einem passenden Pendant könnte die Fläche auch tagsüber verwendet werden." Das senke doch auch für alle Seiten die Kosten.
Die SPD betont die Dringlichkeit. "Es ist eine zentrale Frage der Stadt, wie wir künftig Flächen für klassisches Handwerk und Industrie erhalten und schaffen", sagte Stadträtin Simone Burger. In der Frage wirken alle recht einig - wie sie in dieser teuren, engen Stadt aber konsequent und erfolgreich beantwortet werden kann, da wirken in der Münchner Politik alle recht ratlos.