Die Neonazis rüsten auf
Die Braunen werden immer dreister, sagen die Grünen und werfen dem Bayerischen Innenminister Herrmann eine "erschreckende Unbedarftheit" vor
München - Bayerns Neonazis machen mobil: Vier Monate nach der Aufdeckung des rechtsextremen Terrornetzes, das neun Menschen ermordet hat, marschiert die braune Szene im Freistaat immer massiver auf. „Die versuchen einen Kontrapunkt zu den Trauerfeiern für die Opfer zu setzen“, kritisiert die innenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Susanna Tausendfreund: „Die werden immer frecher und dreister.“
Gemeinsam mit dem Ex-Fraktionschef der Grünen, Sepp Dürr, wirft sie der Staatsregierung eine „erschreckende Unbedarftheit“ vor – und die rechte Gefahr zu unterschätzen. In München haben die Neonazis ihre Informationsstände inzwischen verdoppelt.
Ihr Aushängeschild Martin Wiese, der den Anschlag auf die Münchner Synagoge geplant hatte, wird immer unverfrorener: Nach seiner Haftentlassung zog er nach Niederbayern und treibt nun auch dort sein Unwesen. Kürzlich ertappte ihn die Polizei beim Verteilen von 3000 Flugblättern mit Parolen gegen ein Asylantenwohnheim. Die braunen Pamphlete wurden beschlagnahmt. Danach griff Wiese zum Megaphon, zog vor die Polizeidienststelle und forderte die Herausgabe seiner Flugblätter.
Mit der Justiz spielt er Katz und Maus. Nach seiner Haftentlassung erhielt er Kontaktverbot zu mehreren Neonazis. Trotzdem lässt er sich mit ihnen sehen: bei Aufmärschen und Veranstaltungen. Ein „tatsächlicher Verstoß“ gegen das Kontaktverbot aber war nicht nachweisbar, musste Innenminister Joachim Herrmann jetzt auf eine Anfrage der Grünen einräumen. Mit Ruhm hat sich der bayerische Verfassungsschutz bei der Beobachtung der braunen Szene bisher nicht bekleckert, wie aus der Antwort des Innenministeriums hervorgeht.
2005 hatte in Niederbayern in einem Bierzelt ein Konzert der Rechten stattgefunden mit volksverhetzenden Liedern: „Wir wollen Euren Jesus nicht, das alte Judenschwein“; „Blut muss fließen - wir scheißen auf diese Judenrepublik.“ Zwei Beamte des Staatsschutzes waren im Zelt, schritten aber nicht ein.
Die polizeilichen Erfahrungen hätten gezeigt, schrieb Herrmann den Grünen: „Dass eine Bewertung vor Ort während der Veranstaltung ohne Kenntnis des Textes grundsätzlich kaum möglich ist (Lautstärke, Verständlichkeit, verschiedenen Versionen).“
„Er kennt also das Problem schon lange, zieht aber keine Konsequenz daraus“, greift Dürr den Innenminister an. Deshalb könnten in Bayerns so viele rechtsextreme Konzerte stattfinden, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen hart durchgegriffen wird.
Rund 2500 organisierte Rechtsextreme gibt es im Freistaat. Die Hälfte von ihnen wird als gewaltbereit eingestuft. 37 Rechtsextreme werden per Haftbefehl gesucht. „Keiner aufgrund eines politisch motivierten Gewaltdelikts“, hat Innenminister Herrmann erklärt. „Wahrnehmungsblindheit“ werfen ihm die Grünen vor. Dürr: „Auch die Zwickauer Täter der Mordserie wurden anfangs nur wegen Bagatelldelikten gesucht.
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