Die Münchner Freiluft-Partys gehen weiter
München - Fraunhoferstraße, Samstag 19.30 Uhr: Eine Gruppe junger Frauen steigt aus der U-Bahn aus. Am Bahnsteig wird zügig die Maske abgenommen und das erste Bier des Abends geöffnet. Sie sind auf dem Weg zur Isar, zwischen Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke, wo in diesem Sommer die Partys hin verlagert werden. Die Stimmung der Gruppe ist gut, auf der Brücke reißt die Papiertüte mit den Bierflaschen, eine fällt zu Boden und zerplatzt.

Lachen, die jungen Frauen schauen sich peinlich berührt um und schieben die Scherben dezent mit dem Fuß vom Gehweg, dann gehen sie schnell weiter. Hat ja keiner gesehen. Im Gespräch mit der AZ hat Ministerpräsident Markus Söder kürzlich Maßnahmen angekündigt, um gegen das Party-Geschehen an Isar und Gärtnerplatz vorzugehen, zunächst mit Gesprächen und Hinweisen. "Wir spüren, dass sich gerade in den Großstädten die Sorglosigkeit verstärkt“, sagte Söder der AZ.
Die Polizei hat die Partygänger im Blick
Dass die Staatsregierung verstärkt einen Blick auf die Partygänger hat, wird am Samstag schnell klar: An beiden Seiten der Reichenbachbrücke lehnen Beamte an der Balustrade, um eine Übersicht über das Geschehen am Ufer zu haben.
Und auch unten am Fluss tauchen zwischen der bunten Sommer-Kleidung der Isar-Besucher immer wieder die dunklen Uniformen der Polizisten auf, die in kleinen Gruppen patrouillieren oder sich im Kreis, mit dem Rücken zueinander, aufgestellt haben, um alle Himmelsrichtungen im Blick zu haben.
Patrick (28) und seine Kollegin sind im Sommer immer mit dem mobilen Eisstand an der Isar. "Ich merke keinen großen Unterschied zu den Jahren davor“, sagt er. "Die Leute sind wie immer friedlich. Klar, die Mindestabstände werden nicht so ganz eingehalten, aber es gibt selten Grund für die Polizei einzuschreiten.“ Nur vorhin habe er beobachtet, wie zwei berittene Beamte eine größere Ansammlung aufgelöst haben.

Es ist viel los an der Isar. Vor den Dixi-Klos haben sich lange Schlangen gebildet, die Müllkästen sind randvoll. Ein Mann hat auf das Trittbrett eines gemieteten E-Rollers zwei Bierkästen gestellt, die er bei der Fahrt als Sitz verwendet, eine provisorische Vespa, mit der er sich durch die Menge schlängelt.
Jugendliche fühlen sich von der Polizei gegängelt
Eine Gruppe Jugendlicher hat einen ausklappbaren Tisch für ein Trinkspiel mitgebracht, momentan dient er aber noch als Ablage für das Abendessen: Zwei Kartons Pizza. "Es ist schon krass viel Polizei unterwegs“, erzählt einer von ihnen, "ein Freund von mir wurde vor Kurzem im Englischen Garten mit einem Kasten Bier angehalten und gefragt, was er mit so viel Alkohol will. Dabei ist er schon 19!“ Andere Leute hätten doch auch so viel dabei. "Vorhin waren wir kurz spazieren und die Polizei ist einfach im Auto neben uns hergefahren, ohne Grund!“

Sie und die meisten anderen halten sich an die Regeln, sagen sie, aber trotzdem kontrolliere die Polizei streng. Vor allem ihre Art stört die Jugendlichen: Die Beamten seien barsch, leuchteten den Leuten mit den Taschenlampen ins Gesicht.
Kürzlich hätten sie mitbekommen, wie mehrere Polizisten eine kleine Gruppe gesprengt hat, angeblich wegen eines Joints. Dieser entpuppte sich als Zigarette, die Beamten mussten unter Gelächter abziehen.
Unter der Wittelsbacherbrücke findet kurz darauf eine Kontrolle statt. Zehn Beamte, davon zwei zu Pferd, umringen eine Gruppe von sechs Jugendlichen, die gerade noch Wasserpfeife geraucht haben. Einer der Polizisten hat von der Brücke angeblich beobachtet, wie sie Drogen versteckt haben, die Beamten haben daraufhin das Gebüsch durchsucht und sind fündig geworden. Der Jugendliche beteuert, das kleine Tütchen sei nicht von ihnen gewesen. Einer der Burschen wird abgeführt, er hatte ein Messer dabei, "aber ein legales!“, beteuert er. "Das ist einfach ungerecht! Die kontrollieren uns nur, weil wir anders aussehen.“
Darauf, dass die kleine Menge Drogen nicht von ihnen war, besteht er: "Unser Zeug können sie gar nicht finden, das haben wir schon längst weggeraucht!“
"Es ist Sommer, wo sollen die Leute sonst hin?“
Gärtnerplatz, 21.30 Uhr: Auch hier herrscht buntes Treiben, viele Gruppen haben sich auf der Wiese und vor den Läden niedergelassen. Vereinzelt läuft Musik. Vor dem Gärtnerplatztheater stehen drei Streifenwagen.
Ein Mann sitzt mit einem Latte macchiato auf einer Bank. Er ist Restaurator, hat seine Werkstatt hier im Glockenbachviertel. Untertags bekommt er von dem Treiben nichts mit, abends setzt er sich gerne mal dazu. "Es ist schon mehr los als sonst, vielleicht ein Drittel mehr Leute. Aber das ist doch auch logisch, es ist Sommer, wo sollen die Leute sonst hin?“ Klar, wenn so viele unterwegs sind, werde es auch mal lauter, "aber mal ehrlich – wenn man am Gärtnerplatz eine Wohnung kauft, muss man sich doch darauf einstellen, dass hier abends Stimmung ist.“
Freiluft-Partys am Wochenende: Die Bilanz der Polizei
Kurze Zeit später hält Helmut (61) mit seinem Fahrrad an und ist empört: "Das ist doch nicht zu fassen!“ Er holt sein Smartphone heraus und filmt die Versammlung. Der Münchner Koch ist mit Borreliose vorbelastet, vor Corona hat er aber keine Angst, sagt, das sei alles "ein Fake“. An einem der Fahrzeuge lehnt ein Beamter und hat die Menge im Blick. "Die Leute halten sich an die Mindestabstände und sind meist nicht mehr als zehn.“

Später am Abend ändere sich das dann, es gebe weniger Verständnis und "wir müssen auch mal einen Platzverweis erteilen. Aber alles in allem ist die Situation unter Kontrolle.“
Am Sonntag zieht die Polizei Bilanz des Wochenendes. Von zwei größeren Einsätzen berichtet das Präsidium in der Nacht zu Sonntag zwischen 22 und 4 Uhr morgens. In der Nähe des Gärtnerplatzes wurde eine Party auf einer Dachterrasse wegen Ruhestörung aufgelöst, an der Isar hat eine Versammlung mit ungefähr 40 Leuten stattgefunden. Ansonsten sei alles einigermaßen störungsfrei verlaufen in einem München, das wieder raus will.