Die Mannsbilder zerlegen die Bavaria

Luise Kinseher, die erste Fastenpredigerin am Nockherberg, muss sich nach ihrem Debüt Kritik vom anderen Geschlecht gefallen lassen.
München - Natürlich hat Luise Kinseher Lob bekommen für ihre Premiere als Fastpredigerin. Wäre ja auch uncharmant gewesen, wenn die derbleckten Politiker die erste Frau auf dem heiklen Nockherberg-Posten gleich abgebügelt hätten. Andere Männer hatten mit Kinsehers Vortrag als Bavaria – mit ein wenig Abstand – ihre Probleme.
Ottfried Fischer etwa nennt die Kollegin Kinseher natürlich „eine hervorragende Kabarettistin“, hat aber „Schwierigkeiten“ bei ihr ausgemacht – und zerlegt ihre Rede fachmännisch: „Es wäre vielleicht besser gewesen, man hätte zuerst die Kleinen abgehandelt und sich die CSU aufgehoben zum Schluss. Das wäre ein formaler Vorschlag.“
Fischer weiter: „Luise hatte einen fulminanten Auftakt mit einigen bösen Attacken, die ganz gut waren. Aber gegen Ende ist ihr ein bisschen der Saft ausgegangen.“ Fischer spricht von „Betriebsblindheit“ bei Kabarettisten: „Man meint manchmal, dass es reicht – und es reicht dann doch nicht.“
Hartmann: "Kindergeburtstag"
ARD-Mannsbild Waldemar Hartmann wird noch deutlicher. „Kinseher hat stark angefangen“, sagt er. „Dann gab es eher dünnere Kost, und zwar über eine zu lange Strecke. Insgesamt war es auch zu lang.“ Dabei habe Kinseher doch sogar einen Frauen-Vorteil, findet Hartmann: „Dass sie in der Figur der Bavaria angreifen kann, ist ein großer Bonus für sie. Das hat sie auch einige Male genützt. Aber dann waren meiner Meinung nach Strecken drin – das war Kindergeburtstag. Nix Halbes und nix Ganzes. Nicht Fisch und nicht Fleisch.“
Das solle nicht heißen, dass er Kinseher keine zweite Chance am Nockherberg gönne, versichert Hartmann: „Dass sie es kann, hat sie ja zehn Minuten lang ausgezeichnet nachgewiesen. Diese Qualität weitere 20 Minuten lang – da würden wir alle jubeln. Das war aber nicht so. Es ist wie beim FC Bayern: Ballbesitz allein reicht nicht.“
Hoeneß: "Eine Frau kann nicht so zynisch sein"
Bayern-Präsident Uli Hoeneß, noch so ein Mannsbild, ist übrigens auch kein Kinseher-Fan geworden. Hoeneß: „Sie hat sehr stark angefangen, mit Super-Formulierungen, dann hatte sie ziemliche Längen.“ Abgesehen von der Dauer („Über eine Stunde!“) wäre Hoeneß ein männlicher Fastenprediger wohl lieber: „Ich glaube, eine Frau kann nicht so zynisch sein wie ein Mann. Das hat nichts mit Macho-Gehabe zu tun. Ich glaube einfach, dass ein Mann viel aggressiver rangehen kann.“
Ob Luise Kinseher die Männer als Bavaria im nächsten Jahr überzeugt? Otti Fischer glaubt: „Sie ist eine Perfektionistin. Die weiß, was sie falsch gemacht hat. Die wird das ausbügeln.
Was prominente Zuschauerinnen von Kinsehers Fastenrede halten
Sozialminsterin Christine Haderthauer
"Entgegen der allgemeinen Erwartung, dass eine Frau bei ihrem ersten Auftritt auf dem Nockherberg zunächst mit angezogener Handbremse agiert, hat Luise Kinseher gleich Vollgas gegeben. Zum Glück war sie nicht zu nett, sonst könnt' ich sie jetzt nicht so unbefangen loben. Luise Kinseher hat die Tradition des Derbleckens wieder aufleben lassen: Statt grob und derb war sie gütig und streng, zielsicher und gleichzeitig augenzwinkernd, aber auch hinterfotzig.
Dazu beigetragen haben ihre Gestik und Mimik. Damit hat sie all ihre Vorgänger übertroffen. Die Fastenpredigt war aber gleichzeitig auch ein Stück gelebte Frauenpower, das war auf dem Nockherberg längst überfällig. Kinseher hat die Rolle ganz neu und anders angelegt, so wie es einem Mann nie gelungen wäre. Frauen sind einfach anders gut! Der Blick der strengen Mama war genial und ziemlich ungewohnt für so manche Männer. Ihr stärkster Satz aus meiner Sicht: ‚Für die CSU gibt es aber auch noch ganz andere Bedrohungen als Frauen...' Was ihr zu mir eingefallen ist, hätt' durchaus auch von meiner Mutter kommen können, nur nicht so witzig zugespitzt. Da steckte insgesamt – nicht nur was die Passagen zu meiner Person angeht – viel Wahres drin. Kompliment!“
Grünen-Chefin Claudia Roth
„Eine Frau derbleckt in der Bastion der bayerischen Männer, das muss man sich so vorstellen wie wenn am Sonntag in Baden-Württemberg der erste Grüne Ministerpräsident wird. Und das auch noch im Stammland von CDU und FDP.“
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
„Sie hat die Männer, die vor ihr die Fastenpredigt hielten, nicht nachgemacht. Wenn man diese Art von weiblichen Charme nicht verträgt, muss man das noch lernen. Nächstes Jahr gibt's sicher eine Fortsetzung."
Künstlerin Petra Perle
„Luise Kinsehers hintergründige und feinsinnige Rede, charmant vorgetragen, war ein Gewinn: So hat der Nockherberg wieder Zukunft – sofern man auch für das diesjährig dürftige Singspiel noch einen Autor oder gar eine Autorin auf Augenhöhe findet. Als treusorgende bayerische Mama zeigte sie den verzogenen Hundsgrippeln der Politikerkaste auch die harte Hand, verteilte Watschn wie Zuckerl. Zeit war’s für den weiblichen Blick am Nockherberg: dass das mehrheitlich männliche Publikum a bisserl länger brauchte, um die spitzfindigen Zusammenhänge zu verstehen, sei dafür gerne in Kauf genommen. Und das Kleid war der Hammer!“