Die Klo-Not: Warum Münchens WC-Mangel ein Problem ist

München - Wenn es mal schnell gehen muss, haben Bürger an einigen Orten in dieser Stadt ihre liebe Not. Das öffentliche Toiletten-Angebot in München bleibt ein Ärgernis, obwohl OB Dieter Reiter (SPD) 2019 das Thema zur Chef-Sache gemacht hatte. Sein Vorstoß, das drängende Toiletten-Problem anzupacken, mündete darin, dass eine Tochterfirma der Stadtwerke München auf moderne Bezahltoiletten setzt. Diese müssen nun erst errichtet werden.
Viele Toiletten sind wegen Sanierung geschlossen
Die Kehrseite: Damit verschwinden kostenfreie öffentliche WCs aus U-Bahnhöfen. Menschen mit wenig Geld kann das in eine entwürdigende Lage bringen. Ex-Grünen-Stadtrat Herbert Danner sagte damals bei der Klohäusl-Debatte: "In so einer reichen Stadt sollte es möglich sein, dass die Leute kostenlos bieseln können." Viele WCs sind derzeit zugesperrt, weil sie umgebaut werden. Inzwischen häufen sich Beschwerden über die Klo-Not.
60 Cent zahlen fürs Bieseln? Für viele ist das zu teuer
Allein in diesem März waren neun Toiletten in U-Bahnhöfen dabei, zu Bezahl-Klos umgebaut zu werden. An Stationen wie Feldmoching und Mangfallplatz, Josephsplatz oder Trudering sollen beispielsweise in Zukunft moderne und saubere Toiletten hinkommen. Der Preis für den Toilettengang: 60 Cent.
Gegen diese "unfaire Bezahlschranke" sträubt sich jetzt die Giesinger Bürgerinitiative "Mehr Platz zum Leben". Melly Kieweg vom Verein hat beim Seniorenbeirat der Stadt München und beim zuständigen Bezirksausschuss einen offiziellen Antrag auf kostenlose Nutzung der Toiletten am Kolumbusplatz gestellt. "Die Silberhornstraße hat jetzt eine Bezahltoilette. Das wollen wir vor Ort nicht. Für Menschen mit niedrigen Einkommen sind 60 Cent durchaus eine finanzielle Belastung", so Melly Kieweg.
Am Kolumbusplatz gibt es viele soziale Einrichtungen, aber keine öffentliche Toilette
Gerade im Umfeld des Kolumbusplatzes gebe es viele soziale Einrichtungen, wie die Jugendpension, das städtische Unterkunftsheim für Männer sowie das Alten- und Service-Zentrum Untergiesing. "Durch den WLAN-Hotspot und die stillgelegte Bushaltestelle 58 mit ihren Sitzen hat sich der Kolumbusplatz immer mehr zum kreativen Treffpunkt gemausert", sagt Melly Kieweg von der Bürgerinitiative. "Wir Bürger wünschen uns, dass es hier angenehm bleibt - und dafür brauchen wir dringend eine kostenlose Toilette."
Wegen fehlender Toiletten erleichtern sich Menschen vor einem Kunstwerk
Da die öffentliche U-Bahntoilette am Kolumbusplatz wegen des Umbaus geschlossen ist, verrichten Menschen jetzt immer öfter hinter den Kunstwerken am Halt 58 ihre Notdurft. "Das ist sehr unangenehm. Ich beseitige regelmäßig Spuren hinter meinem 15 Meter langen Gemälde", klagt die österreichische Künstlerin Rikki Reinwein.

Mit einem Besen entfernt sie auch eklige Trittspuren von der Treppe - und wirft manch Besen danach weg. "München macht viel für den öffentlichen Raum. So geht das nicht! Wenn es hier nicht gut riecht, macht das mein Werk vom Wert her niederer. Ich fordere an diesem Bürger-Treffpunkt ein kostenloses WC von der Stadt", sagt Reinwein, die auch Präsidentin der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Österreichs ist. Für sie wäre am Halt 58 eine oberirdische Gratis-Toilette die beste Lösung.
In Pasing gibt es ein anderes Problem: Hier sind Behinderten-WCs gesperrt
Auf der anderen Seite der Stadt, in Pasing, kämpfen zwei Bürger seit Januar hartnäckig für geöffnete Behinderten-WCs. Bereits seit 1. Dezember sei die Behindertentoilette am Pasinger Bahnhof defekt, so Josef Wiesheu.
In den Pasing Arcaden seien sie ebenfalls zugesperrt: "Eine Frechheit! Die Behinderten-Toilette im Untergeschoss des Einkaufszentrums ist seit 18 Monaten zu. Beim zweiten Behinderten WC ist die Tür defekt", schimpft vom Josef Wiesheu, Leiter einer Multiple Sklerose-Gruppe. Mit seinem guten Freund, Rollstuhlfahrer Johann Kaschuba, kann er sich deshalb nicht mehr in den Arcaden treffen. Wiesheu: "Das macht uns ratlos und verärgert!"
"Hilferuf" an Stellen der Stadt München
Josef Wiesheu hat sich mehrfach schriftlich beschwert. Er hat einen "Hilferuf" an sieben verantwortliche Stellen bei der Stadt gesendet, darunter an die MVG, die Pasing Arcaden und den Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung.
Die AZ hat bei der Betreibergesellschaft der Pasing Arcaden nachgehakt. Mit einem Teil-Erfolg: Die Unibail-Rodamco-Westfield GmbH teilte der AZ mit, dass die Reparatur des Behinderten-WCs im Untergeschoss der Pasing Arcaden für diese Woche zugesagt sei. "Die zweite Tür bei der Anlage im Obergeschoss ist ebenfalls beauftragt, dauert jedoch noch etwas", beschwichtigte Centre Manager Sabine Leuthner.
Wiesheu, Leiter der MS-Gruppe, fragt sich darüber hinaus: "Warum sind die Stadt München oder die Deutsche Bahn nicht in der Lage, die Behindertentoiletten ordentlich zu pflegen und intakt zu halten?" Er vermutet: "Für die Verantwortlichen sind das wahrscheinlich nur Nebensächlichkeiten. Aber für die Behinderten und Rollifahrer machen diese Unannehmlichkeiten das Leben um einiges schwieriger."