Die Innenstadt ohne Karstadt? "Unvorstellbar"
Hans-Jürgen Gladasch ist der Geschäftsführer des Münchner Karstadts am Hauptbahnhof. Die AZ sprach mit ihm über das drohende Aus, die Stimmung unter den Beschäftigten, die anstehende Demo am Mittwoch – und die Meinung der Kunden.
Herr Gladasch, wie lange sind Sie bereits Geschäftsführer bei Karstadt?
Alles in allem seit 1988. Und insgesamt bin ich seit 42 Jahren in dem Unternehmen tätig.
Wie viele Beschäftigte hat das Karstadt Haus am Hauptbahnhof?
Unser Haus hat 900 eigene Mitarbeiter. Zählt man noch die Mitarbeiter der Töchterfirmen dazu, wie aus der Lebensmittelabteilung, der Gastronomie, der Vermietung, kommen wir auf 1200. Und für Gesamt-München, wenn man alle Karstadt Häuser zusammenzählt, sind das rund 3000 Mitarbeiter.
Karstadt steht mit dem Rücken an der Wand. Wie gehen Sie als Geschäftsführer damit um?
Wir versuchen unsere Mitarbeiter trotzdem zu motivieren. Jeden Morgen, bevor wir das Geschäft öffnen, gibt es ein Briefing, in dem wir unsere Mitarbeiter auf den Tag einstimmen. Wir müssen schließlich an unsere Kunden denken. Gute Ergebnisse abzuliefern ist jetzt wichtiger als nur an sich selbst zu denken.
Wie ist die Stimmung bei den Beschäftigten? Ihr Arbeitsplatz ist in Gefahr?
Ich erkenne keine Demotivation. ‚Wir schaffen das schon‘ und ‚Wir glauben dran‘ ist das, was ich so höre.
Und Ihre Kunden?
Auch da gibt es vielerlei Sympathiebekundungen. Eine ältere Dame sagte kürzlich zu mir ‚Wenn ich in München am Hauptbahnhof ankomme, ist Ihr Haus immer das Tor zur Großstadt für mich‘. Der Betriebsrat hat zudem eine Unterschriftensammlung gestartet. Gestern waren es bereits 2500. Heute werden es sicherlich nochmal 3 bis 4000 mehr werden.
Wie führen Sie diese Unterschriftensammlung durch?
Unsere Auszubildenden sprechen Kunden in unserem Haus an und fragen sie, ob sie uns unterstützen möchten, nach dem Motto „Karstadt darf nicht sterben“.
Wie viele Mitarbeiter Ihres Hauses werden Mittwoch zur Demo nach Berlin reisen?
Ungefähr 50.
Hat das Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb?
Nein. Ehrlich gesagt ist das ja alles von langer Hand geplant. Sobald wir wussten, welche Mitarbeiter gerne nach Berlin möchten, haben wir die Besetzung dementsprechend aufgestockt. Der Kunde kommt nicht zu kurz.
Wie stehen Sie zu diesem Protesttag?
Ich unterstütze das als Geschäftsführer. Für die Mitarbeiter ist das ja auch kein Urlaub. Die reisen freiwillig, müssen um halb sechs morgens aufstehen und bis Berlin ist das ja auch ein gutes Stück.
Was ist das Ziel?
Es soll der Polit-Szene zeigen, wie viele Mitarbeiter betroffen sind. Es wird bestimmt sehr emotional werden. Karstadt gibt es schließlich schon seit 130 Jahren. Es ist für Kunden nicht vorstellbar, dass Karstadt nicht mehr existieren könnte. Und das verärgert mich auch.
Was genau verärgert Sie?
Wir haben jeden Tag zwischen 25 und 30 000 Menschen, die unser Haus aufsuchen. Das Warenhaus ist nicht tot, wie es immer heißt. Es ist nach wie vor zeitgemäß.
Es heißt ja aber, dass der Mutterkonzern Arcandor selbst Schuld an der Misere sei. In jedem Betrieb werden Fehler gemacht, aber wichtig ist die Gegenwart. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn die Finanzkrise nicht wäre, hätten wir die Probleme gar nicht. So wie die Banken jetzt dastehen, ist es ja auch keine leichte Aufgabe für uns, Kredite zu bekommen.
Ist man da nicht mächtig sauer auf Bundeskanzlerin Angela Merkel – die den Banken und auch Opel hilft, aber Karstadt eiskalt abblitzen lässt?
Nun ja, wir müssen natürlich auch ein tragfähiges Konzept vorlegen. Das ist klar. Wir wollen ja auch gar nichts geschenkt bekommen, sondern alles zurückzahlen.
Wie stehen die Chancen, dass Merkel einlenkt?
Ich kann überhaupt keine Prognose darüber abgeben, wie das Ganze ausgehen wird. Aber eins weiß ich: Eine Münchner Innenstadt ohne Karstadt ist einfach nicht vorstellbar.
Gerüchte besagen, Kaufhof wolle Karstadt übernehmen.
Darüber habe ich keinerlei Insiderwissen. Ich hab das selbst nur aus der Zeitung. Wenn es aber dazu kommen sollte, bin ich mir sicher, dass es ein Zwei-Marken-Warenhaus geben wird. Gedanklich steht das bei mir aber nicht an erster Stelle.
Interview: Sylvia Petersen