Die Hauptstadt des Bieres kann auch Hochprozentiges

Wenn Korbinian Achternbusch an seinem Kupferkessel in einem Pasinger Hinterhaus lehnt und begeistert von seiner Herzensangelegenheit erzählt, dann kann man den Wacholderduft beinahe riechen: Der 28-Jährige stellt seit 2014 seinen eigenen Gin her.
von  Von Ina Innermann
Korbinian Achternbusch am Kupferkessel. Die leicht außerirdisch wirkende Anlage wird zum Abdestillieren der Gewürze und Früchte verwendet.
Korbinian Achternbusch am Kupferkessel. Die leicht außerirdisch wirkende Anlage wird zum Abdestillieren der Gewürze und Früchte verwendet. © Ina Innermann

Man kann den Gin-typischen Wacholderduft beinahe riechen und dessen fruchtiges Aroma fast schmecken, wenn Korbinian Achternbusch an seinem Kupferkessel in einem Pasinger Hinterhaus lehnt und begeistert von seiner Herzensangelegenheit erzählt: Der 28-jährige Münchner stellt seit 2014 seinen eigenen Gin her.

Für das, was er jetzt in Flaschen abfüllt, hat Korbinian Achternbusch sein Traumauto verkauft: einen BMW Z4, für den er lange gespart hatte. Er hat ihn hergegeben, damit er endlich seinen eigenen Gin produzieren kann. „Feel! Munich Dry Gin“ heißt das hochprozentige Produkt, das der Jungunternehmer nun mit sehr viel Liebe zum Detail in Pasing kreiert.

Gin, das ist eine Spirituose, in der wesentlich mehr als nur Alkoholprozente stecken. Rezepturen können mit unterschiedlichsten Aromen versehen sein – z. B. mit Ingwer oder Aroniabeeren. Obwohl diese exotischen Pflanzen eher an ferne Länder erinnern, ist die Alkoholbasis des Feel!-Gins aus einem in Bayern gut bekannten Rohstoff: Weizen.

Der Weizenalkohol wird dann mit Botanicals wie Limetten, Wacholder- und Blaubeeren sowie Koriander, Lavendel und weiteren zehn Ingredienzen zu einem sogenannten Mazerat vermengt. Auch Münchner Wasser, das zu den besten Europas zählt, darf bei der Destillation eines echten Münchner Gins nicht fehlen. Es reiht sich daher in die Zutatenliste der 47-Volumenprozent-Spirituose ein.

Nachdem das Mazerat drei Tage ruhen durfte, kommt schließlich der beeindruckende Kupferkessel zum Einsatz. Die leicht außerirdisch wirkende Anlage wird zum Abdestillieren der Gewürze und Früchte verwendet. Sie ist das Herzstück von Korbinian Achternbuschs Destillerie.

Keine Schnapsidee!

Achternbusch war von seiner Gin-Idee so begeistert, dass der Z4 schnell gegen einen eigenen Brennkessel eingetauscht wurde. Dass der Traum vom eigenen Gin aber keine Schnapsidee war, bestätige die Entwicklung der neuen Ginmarke: „Der bisherige Verlauf zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und dass das Wagnis funktioniert“, sagt Achternbusch. Es sind keine Massenverkaufszahlen, die den Jungunternehmer diese Aussage treffen lassen. Die Tatsache, dass er expandieren konnte und nun eine Arbeitskraft in Vollzeit beschäftigt, ist für ihn aber Beweis genug für die positive Entwicklung des Unternehmens. Im momentanem Stadium seiner Ginmanufaktur seien Massenverkaufszahlen auch nicht das primäre Ziel: Laut Achternbusch setzt sein Premiumgin eben auf „Klasse statt Masse“. Deswegen sind für ihn sowohl das Biozertifikat seines Gins als auch dessen absolut vegane Herstellung von großer Bedeutung.

Seine Ginproduktion beginnt mit der Auswahl der Früchte und Gewürze aus kontrolliert biologischem Anbau. Achternbusch kennt von jeder einzelnen Zutat die genaue Herkunft und weiß somit aus eigener Hand, dass nur ungespritzte Ingredienzen in seinen Kessel kommen.

Die Philosophie, aus hochwertigen und wie er sagt „sauberen“ Komponenten eine exklusive Spirituose zu gewinnen, verfolgt der Autodidakt bis in die letzte Instanz: Sein Gin wird nicht über tierisches Eiweiß filtriert und bleibt ein veganer, voll aromatischer Genuss. „Denn was nützt jede sorgfältige Auswahl der erlesensten Bio-Zutaten, wenn man den Gin am Ende über tierische Abfallprodukte filtert?“, sagt der Jungunternehmer. Mit Filtrationsprozessen kennt sich Achternbusch bestens aus – und das nicht nur durch die Ginherstellung. Diese Kenntnisse wurden ihm in die Wiege gelegt, da die Familie eine Wäscherei-Reinigung in vierter Generation in München betreibt.

Tradition trifft Erfindergeist

In Achternbuschs Gin stecken nicht nur Münchner Wasser und zu 75 Prozent regionale Zutaten, auch sein Traditionsbewusstsein „kommt typisch bayerisch daher“: Familientradition ist ihm wichtig. Der gelernte Textilreinigermeister arbeitet weiterhin im Familienbetrieb. „Untertags destilliere ich Lösungsmittel und abends dann Gin“. Zur zeitintensiven Doppelrolle als Textilien-Experte und zugleich Unternehmer sagt er: „Es macht mir Spaß, zusammen mit meiner Familie zu arbeiten – ich genieße es aber auch, mein eigenes Ding mit der Destillerie zu haben“. Und wer weiß, vielleicht entwickelt sich auch der Feel!-Gin zu einem weiteren Familienbetrieb: Nachdem Achternbusch knappe zwei Jahre lang in einer One-Man-Show seinen Gin produzierte, arbeitet nun auch seine Freundin in Vollzeit im Unternehmen mit.

Die andere Seite des Tresens

Warum hochwertiger Gin gerade Konjunktur hat, weiß der geprüfte Barmeister Markus Wimmer der Distillers Bar in Schwabing. „Genuss ist allgemein auf dem Vormarsch“, sagt er. Der zeitgenössische Lebensstil, dem Genuss vergleichsweise mehr Bedeutung im eigenen Alltag beizumessen, sei eine Erklärung für den gegenwärtigen Gin-Boom. Aber auch der Trend, den individuellen Gaumenkitzel zu finden und zu zelebrieren, werde von der hochprozentigen Spirituose Gin völlig bedient. Ihr Facettenreichtum sei somit eine weitere Ursache des Aufschwungs.

Mithilfe der Expertise eines Barmeisters könne sich auch der eher Unkundige im Ginsorten-Dschungel den perfekten Gin Tonic nach seinem eigenen Geschmack zusammenstellen lassen. Der gut informierte Gast kommt ebenfalls auf seine Kosten, wenn er selbst aus 35 Gins und 10 Tonics in der Distillers Bar wählt. „Man personalisiert sich seinen Gin“, sagt Barmeister Wimmer.

Wuid - Giesings wilde Seite

Dennoch steht dieser Alkohol derzeit nicht auf dem Siegertreppchen: Wodka wird häufiger als Gin in Bars und Supermärkten verkauft. Trotzdem gehe seit rund drei Jahren tendenziell mehr Gin über den Tresen. Denn „Gin ist salonfähig“, so Wimmer. An ihm hafte trotz seines hohen Alkoholgehalts nicht der Ruf eines „harten Fusels“. Er stehe für Genuss.

Das war nicht immer so: In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts berauschte die Spirituose vor allem die untersten, verarmten Gesellschaftsschichten Großbritanniens in derart folgenschwerem Ausmaß, dass man von einer Gin-Krise sprach. Gin war damals zeitweise preiswerter als Brot und diente als Nahrungsersatz. Diese Krise wurde 1751 durch Steuererhöhungen, Qualitätssteigerung und Schanklizenzen gelöst.

Das beliebte Getränk blickt also auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurück. Man kann lediglich vermuten, wie diese weiter geschrieben wird: „Die Tatsache, dass auch Marketingagenturen in das Gin-Geschäft eingestiegen sind, um schnelles Geld zu machen, könnte ein Indiz dafür sein, dass der Gin-Hype in einigen Jahren erschöpft ist“, meint Barmeister Markus Wimmer. Was bestellt der Trendsetter dann wohl in wenigen Jahren? „Es könnte in Richtung Wermut, Rum oder Korn – der dann den Wodka im Premiumsegment ablöst – gehen“, vermutet er.

Unabhängig davon gilt: „Bei einem sehr großen Angebot an Spirituosen neigt man dazu, regional zu wählen“, so Wimmer. Und da hat man in München allein im Gin-Sektor zahlreiche Möglichkeiten: Ob es der seit 2008 bekannte „The Duke – Munich Dry Gin“ sein soll, es einem nach Achternbuschs „Feel!“ gelüstet oder ob man doch lieber den Mitte November erschienenen „1158-Gin“ der Distillers Bar probieren möchte – die Münchner können frei nach ihrem eigenen Gusto wählen.

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