Die Handy-Mafia vom Hauptbahnhof

Sie klauen iPhones und verticken sie: Die Polizei lässt drei Handy-Geschäfte im Bahnhofsviertel hochgehen. Gegen die Betreiber wird wegen Hehlerei ermittelt.
von  Ralph Hub
Marcus da Gloria Martins, Chef bei K 61, zeigt einige der beschlagnahmten Handys
Marcus da Gloria Martins, Chef bei K 61, zeigt einige der beschlagnahmten Handys © Polizei

 Polizei lässt drei Geschäfte im Bahnhofsviertel hochgehen. Gegen die Betreiber wird wegen bandenmäßiger Hehlerei ermittelt

München - Das Geschäft mit geklauten Smartphones lief wie geschmiert. Doch dann wurde die Handy-Mafia zu leichtsinnig. Als einer ihrer Kuriere in einem Apple-Store enttarnt wurde, flog der gesamte Clan auf. Die Polizei ließ drei Handy-Shops im Bahnhofsviertel hochgehen. Gegen die Betreiber wird wegen bandenmäßiger Hehlerei ermittelt.

Die Auslagen in den zwei Shops in der Schillerstraße sind gestern leer. Die Verkäufer langweilen sich. Nachschub kommt keiner. Das Geschäft mit heißen Handys ist tot. Seit die Fahnder von K61 die Läden und einen weiteren in der Bayerstraße auf den Kopf gestellt haben, trauen sich Gauner und Hehler nicht mehr in die Nähe.

Ein Grieche wurde von der Kripo gefasst, als er am Dienstagmorgen dieser Woche ein geklautes Laptop verhökern wollte. „Er platzte mitten in die Razzia und bot ausgerechnet zwei Zivilbeamten seine Beute an“, berichtet Marcus da Gloria Martins, Chef des K61, zuständig für Bandendelikte. Zwei weiteren Gaunern, die ebenfalls heiße Ware los werden wollten, gelang im letzten Moment die Flucht.

Dafür wurden die Fahnder im Laden fündig. 14 der sichergestellten iPhones waren zweifelsohne Diebesbeute. 450 Smartphones werden derzeit überprüft. Die Fahnder stießen dabei auf ein Gerät, dass erst zwei Tage zuvor als gestohlen gemeldet worden war. In Wahrheit hatte es der Besitzer im Laden gegen Bargeld versetzt.

Taschendiebe, Junkies und Einbrecher lieferten ihre Beute beim Clan ab. Alle Handys, die zugeordnet werden konnten, stammen aus München, dem Umland und Oberbayern, so die Polizei.

Drahtzieher der Handy-Mafia ist ein ursprünglich aus dem Irak stammender Familien-Clan. Alle haben inzwischen deutsche Papiere. Ihre Läden im Bahnhofsviertel waren die perfekte Tarnung für die dubiosen Geschäfte: Sie handelten außer mit Handys mit Gold, Reisen und betrieben auch Telefoncenter.

 


 

 

Gegen sechs Clan-Mitglieder ermittelt die Polizei: fünf Männer und eine Frau im Alter von 19 bis 46 Jahren. „Ihnen drohen wegen bandenmäßiger Hehlerei bis zu zehn Jahren Gefängnis“, sagt Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger.

Die Bande handelte auch mit Geräten, die mit Hilfe gefälschter Telefonverträge unterschlagen wurden. In einem Fall stießen die Fahnder auf einen 74-Jährigen, auf dessen Namen vier iPhones liefen. Mit einem simplen Trick ließ der Clan die heißen Handys verschwinden. Kuriere brachten die Geräte in Telephon- und Apple-Stores, behaupteten, sie seien defekt. Im Handumdrehen wurden die Smartphones, allesamt jünger als ein Jahr, umgetauscht. Die alten Geräte werden geschreddert, keine Chance mehr sie zurückzuverfolgen.

Die ergaunerten Neugeräte fanden dagegen in den Läden des Clans reißend Absatz. Rund 400 Euro verdiente die Bande pro Stück. Die Kunden freuten sich über ein Schnäppchen, ohne zu ahnen, dass sie Teil eines Schwindels von gigantischem Ausmaß sind. Die Masche flog erst auf, als ein Kurier im Apple-Store am Marienplatz Verdacht erregte.

Der Mann kam teilweise mehrmals am Tag vorbei. Immer wollte er Ersatz für sein defektes iPhone. Bis ein Mitarbeiter schließlich die Polizei informierte. Beim K 61 legte der Verdächtige seine „Lebensbeichte“ ab. Er gestand, wie oft und wie viele Handys er „gewaschen“ hatte und verpfiff auch seine Auftraggeber.

Anfang April stattet die Polizei daraufhin dem Laden in der Schillerstraße zum ersten Mal einen Besuch ab. Insgesamt 330 Smartphones nahm die Polizei mit. 15 Handys waren zweifelsfrei gestohlen. Die Überprüfung der verdächtigen Handys ist zeitaufwendig. Oft scheitern die Ermittlungen an bürokratischen Hürden der Telefongesellschaften.

Wie hoch der Gesamtschaden liegt, lässt sich erst sagen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Alleine die im April sichergestellten Unterlagen lassen davon ausgehen, dass dort der Schaden bei weit über 20000 Euro liegt.

 

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