Die Generationen-WG

Wohnen für Hilfe: Warum eine 77-jährige Rentnerin beim Projekt "Wohnen für Hilfe" mitmacht und ihr Haus mit einer 26-jährigen Studentin teilt.
Kirchheim - Dass Eva Schönauer in ihrem Haus einmal eine WG gründen würde, hätte sich die 77-Jährige nicht träumen lassen. Ihre Kinder sind längst ausgezogen, haben eigene Kinder. Vor drei Jahren starb ihr Mann. Seitdem kümmerte Eva Schönauer sich allein um das kleine Reihenhaus in Kirchheim bei München, so gut es nach ihrer Hüft-OP eben ging. Sie wischte die sorgfältig arrangierten Fotos ihrer Familie ab, jätete Unkraut im schmalen Hintergarten, saugte Staub.
Bis sie im Herbst das Gemeindeblatt aufschlug: Gesucht wurden Senioren, die Lust hätten, am Generationen-Projekt „Wohnen für Hilfe“ (siehe unten) teilzunehmen. Direkt beim Info-Abend meldete sich die Seniorin an.
„Es ist für mich auch eine Frage der Sicherheit“, erklärt Schönauer ihren Entschluss. „Wenn ich mal die Treppe herunterfalle oder so etwas, dann findet sie mich abends.“
Sie – das ist Michelle, Eva Schönauers Mitbewohnerin. Seit Mitte Dezember wohnt die Sprachstudentin (26) aus Madagaskar bei ihr in Kirchheim, im alten Zimmer der Schönauer-Kinder.
Statt Miete zu zahlen, geht Michelle Eva Schönauer im Haushalt zur Hand. Einmal wöchentlich putzt sie das Haus, gelegentlich die Fenster. Bei Bedarf schippt sie Schnee, so ist es vereinbart. Ganz abgeben möchte die Seniorin die Verantwortung jedoch nicht: „Ich helfe mit, so gut ich kann“, meint Schönauer. „Sie ist immer mit einem Putzlappen hinter mir her“, meint Michelle. Beide lachen.
Überhaupt vergeht kaum eine Minute, in der die beiden sich nicht anlächeln. Ob es schon einmal Streit gab? „Wir sind zwei erwachsene Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen“, sagt Eva Schönauer. „Wenn es Probleme gibt, sprechen wir sie gleich an, nur so kann es funktionieren.“
Mit den größten Zweifeln wurde Eva Schönauer in ihrem Bekanntenkreis konfrontiert: „Einige machten sich richtig Sorgen“, erinnert sich die Seniorin. „Wie kannst Du Dir das antun, fragten sie. Dabei muss ich mich ja nicht um Michelle kümmern. Im Gegenteil: Sie hilft mir und ich weiß, dass ich nicht allein bin.“
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Das Projekt "Wohnen für Hilfe"
Das Projekt des Seniorentreffs Neuhausen vermittelt mietfreien Wohnraum bei Senioren, vorrangig an Studenten. Nebenkosten zahlen die Studenten selbst. Statt einer Miete gilt die Faustformel: Pro Quadratmeter Wohnraum eine Stunde Hilfe im Monat.
Die konkreten Hilfen werden individuell vereinbart. Ausgenommen sind aber Pflegeleistungen aller Art. Vor jeder Vermittlung führen Sozialpädagoginnen intensive Gespräche mit den Wohnraum-Bietenden und -Suchenden, um passende Wohnpartner zu ermitten.
Wer bei ihnen einzieht, entscheiden die Senioren aber selbst. In einer vierwöchigen Probezeit lernen beide Seiten sich besser kennen und finden heraus, ob sie zusammenpassen. Der Erfolg des Projekts spricht für sich: Über 250 Interessierte melden sich jährlich. Vermittelt wurden allein im vergangenen Jahr 40 Wohnpaare, die Nachfrage übersteigt das Angebot an Wohnraum deutlich.
Infos bei Ursula Schneider-Savage, Seniorentreff Neuhausen e.V., Leonrodstraße 14b, Tel: 13928419- 20, wfh@seniorentreff-neuhausen.de