Die Geigenbauerin: Bei ihr bekommt Holz Charakter

Der Vater von Marion Michael (41) ist auch ihr Lehrmeister gewesen: Sie baut Geigen, Bratschen und Celli in ihrer eigenen Werkstatt. Vielleicht arbeitet hier bald eine dritte Generation mit
Tina Angerer |
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Präzisionsarbeit: Geigebaumeisterin Marion Michael in ihrer Werkstatt bei der Reparatur eines Cellos.
Petra Schramek Präzisionsarbeit: Geigebaumeisterin Marion Michael in ihrer Werkstatt bei der Reparatur eines Cellos.

München - Schlichte Cellomusik klingt durch den kleinen Raum, vom Sonnenlicht draußen ist hier im Souterrain kaum etwas zu sehen. Es sieht fast eine bisschen meditativ aus, wenn Marion Michael an ihrem Arbeitsplatz sitzt, vor sich ein Cello, dessen Corpus sie bearbeitet. Es riecht nach Holz. „Ich liebe das Material“, sagt Marion Michael. Die Geigenbaumeisterin hat die Werkstatt ihres Vater Winfried in der Hildegardstraße übernommen – es ist Beruf und Leidenschaft für sie.
Sie baut selbst Geigen, Bratschen und Celli, und sie repariert Instrumente. „Jedes Instrument ist anders, jede Reparatur ist etwas Spezielles“, sagt sie. Sie spricht auch gerne vom „Charakter“ eines Instruments.

Winfried Michael hat die Werkstatt 1968 aufgemacht. Früher floss hier unten mal ein Kanal, später wurde die nahe Maximilianstraße aufgeschüttet. Deswegen sind die denkmalgeschützten Gewölbe in der Hildegardstraße heute Souterrain – und damit ideal für einen Geigenbauer. „Selbst im Winter ist die Luftfeuchtigkeit hoch genug, so dass das Holz nicht leidet“, erklärt Winfrid Michael. Und im Sommer ist es kühl genug.

Dass Marion Michael das Lebenswerks ihres Vaters fortführt, war nicht immer klar. Zuerst lernte sie Maschinenschlosser. Danach schwenkte sie um ging 1995 bei ihrem Vater in die Lehre. Bereut hat sie die Entscheidung bis heute nicht. „Das hier ist mein Leben, meine Seele steckt hier drin, das ist meine Vergangenheit und meine Zukunft“
Mehrere Monate dauert es, eine Geige zu bauen, die zwischendurch immer wieder trocknen muss. Sie kostet dann zwischen 9000 und 12 000 Euro. Die Geigenbauerin kauft auch alte Instrumente an und verkauft sie restauriert weiter. Und sie verleiht, vor allem an Familien mit Kindern.

Marion Michael liebt an ihrer Arbeit auch die Kundschaft. „Hier kommt man ja nicht rein und bezahlt wie beim Supermarkt an der Kasse.“ Die Kunden hängen an ihren Instrumenten, jeder hat eine spezielle Verbindung. Gerade repariert Marion Michael den Bogen einer Musikerin. Natürlich hätte sie sich einen neuen kaufen können. „Die Kundin sagte mir, das sei für sie wie eine verlängerter Arm. Sie will keinen anderen.“

Die Branche hat sich aber auch verändert. „Es gibt heute billige Fabrik-Geigen aus China“, erzählt die Geigenbauerin. „Wenn man sie ein bisschen herrichtet, kann das für einen Anfänger schon okay sein.“ Schon für 350 Euro bietet Marion Michael solche Geigen an. Sie sieht das nicht nur negativ. „Man muss da differenzieren. Auf diese Weise können sich vielleicht mehr Familien so etwas leisten. Und später, wenn jemand besser spielen kann, hört er auch den Unterschied und steigt auf andere Instrumente um.“ Und das ist dann die Kundschaft der Zukunft.

Die Musikstadt München ist ein idealer Standort, obwohl es hier viel Konkurrenz gibt. „Deutsches Handwerk spricht immer noch für sich, überall in der Welt. Und gute Arbeit spricht sich herum.“ Auch durchs Internet. Aus aller Welt kommen die Käufer, erst kürzlich war ein chinesischer Öl-Industrieller im Laden. 

Die Geigenbauerei ist ein Tüftlerhandwerk. Im Regal stehen unzählige Fläschchen: Lacke werden da individuell angemischt, damit eine reparierte Stelle genau die gleiche Farbe hat wie vorher.  Überhaupt – der Lack einer Geige: Seine Mischung ist ein Geheimnis für sich. Eine Grundsubstanz ist Propolis, von Bienen gesammelter Harz. Winfried Michael hat Jahrzehnte herumprobiert und seine Kenntnisse an seine Tochter übermittelt. „Er ist mein Nachschlagewerk“, sagt Marion Michael über ihren Vater. Ihr Sohn ist jetzt 21. Auch er hat zunächst einen anderen Beruf gelernt, Spengler. Doch er interessiert sich mehr und mehr für die Werkstatt, möchte jetzt an den Wochenenden versuchen, selbst eine Geige zu bauen. Marion Michael: „Wer weiß, vielleicht kann ich mein Wissen doch noch an ihn weitergeben.“

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