Die Gastro sperrt auf: München setzt sich raus

München – Im Baader Café sind Gäste kurz versucht, ein "Macht weiter so!" ins Buch zu schreiben, hinterlassen dann aber doch nur Name und E-Mail-Adresse – so will es das Infektionsschutzgesetz.
Wenn ein Gast geht, desinfiziert Michael Poth seinen Platz sofort. Wo jetzt noch Radl, Autos und ein Container stehen, soll bald eine zusätzliche Freischankfläche fürs Baader entstehen. Nochmal so viele Tische soll es dann geben, wenn das KVR den Platz genehmigt.
Vieles ist anders - schön ist's trotzdem
"Wir machen gerade nur einen Bruchteil des Umsatzes und verzichten freiwillig auf den Lohn, damit es weitergehen kann", sagt Poth. Haben sie vor Corona an einem Tag zwölf Packerl Milch für Cappuccino gebraucht, sind es heute zwei Packerl. "Wenn’s keinen Platz hat, freuen wir uns, wenn die Leute was mitnehmen und sich damit an die Isar setzen", sagt Poth.

Viel, was das Baader ausgemacht hat, wird erstmal nicht gehen: das Auflegen, die vielen Zeitschriften, das Aufeinanderhocken. Schön ist’s trotzdem, wieder hier zu sein, finden die Stammgäste, die auf einen Ratsch vorbeigekommen sind.
Paulaner am Nockherberg: Gäste stehen Schlange
Über die Isar geht’s rauf zum Paulaner am Nockherberg. Hier stehen um kurz vor 12 Uhr schon über 20 Gäste artig mit Mundschutz und Abstand in der Schlange, um in den Biergarten zu gehen. Wirt Christian Schottenhamel wuselt mit seinem Sohn herum, der später am Tag Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kennenlernen wird.

"Der will sich anschauen, wie’s im Biergarten so läuft", sagt Schottenhamel, der auch Münchner Kreisvorsitzender vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga ist. Und, wie läuft’s? "Wir müssen noch optimieren", sagt Schottenhamel. Eine Viertelstunde dauert’s etwa, bis man am Biertisch sitzt. Noch zeigt jeder Verständnis.
Gastro in München: Es gibt schon jetzt Verbesserungsvorschläge
Schottenhamel wird Aiwanger später höflich und nachdrücklich erklären, weshalb die Wirte eine Anpassung der Öffnungszeiten der Außenflächen bis 22 Uhr für sinnvoll halten. "Sonst stehen die Gäste um 20 Uhr auf der Straße" und warum sie die Registrierung gerne abgeschafft hätten – zu personalintensiv. Außerdem möchte er ihm nahelegen, Veranstaltungen wie Hochzeiten und Trauerfeiern in der Gastronomie wieder zu erlauben.
"Wenn die Bürger jetzt die Angebote noch annehmen, wird sich die Lage bald noch weiter normalisieren, da ja ab nächsten Montag auch die Wirtschaften innen geöffnet werden", sagte Aiwanger.
Überall stehen Tische und Stühle draußen
Wer noch ein bisserl durch die angrenzenden Viertel radelt, sieht vor fast jedem Lokal Tische und Stühle draußen. Ob die vier etwa gleichaltrigen Frauen wirklich nur zu zwei Haushalten gehören? Nun ja, so ein Gastronom ist ja kein Detektiv und glaubt, was die Gäste ihm sagen.

Anderswo gibt es am ersten Tag Wildwuchs. "Wir haben unsere Außenfläche ums Eck erweitert. Wir brauchen die Gäste und das Geld", sagt ein Gastronom, der darauf spekuliert, dass das KVR ein Auge zudrückt und der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Biergartenbesuch am Viktualienmarkt: Kein ganz normales Gefühl
Letzte Station ist der Viktualienmarkt, wo Löwenbräu ausgeschenkt wird. Der Biergarten ist eingezäunt, draußen stehen potenzielle Gäste. Ein Mitarbeiter notiert sich eifrig Namen und Kontaktmöglichkeit der Gäste und bringt sie zum Platz. So eifrig, dass der Mundschutz nur ein Mundschutz ist und die Nase keck herausschaut. So eingezäunt fühlt sich der Biergartenbesuch nicht ganz normal an.

Auch nicht normal ist, dass eine Frau, die allein ihr Bier trinkt und ein Ehepaar kurz stocken, als sie zusammengesetzt werden sollen. "Ja, gut", sagt die Frau, die dann nicht mehr allein da ist, "das sind dann zwei Haushalte und man muss ja auch was verdienen."
Um den Brunnen von Liesl Karlstadt stehen drei Herren und trinken Bier. Liesl Karlstadt trägt einen winzigen Mund-Nasen-Schutz – sonst wirkt alles recht normal in der frühsommerlichen Stadt, die langsam wieder erwacht.

Ein Finanzbuchhalter schildert: "Wir sind perfekt gerüstet"
Josch Gässner (49), Finanzbuchhalter: "Es kann kein Zufall sein, dass ich schon vor Monaten für diese Woche Urlaub eingereicht habe und jetzt die Biergärten wieder aufmachen. Wir stehen seit 11 Uhr hier, weil es hieß, dann würde geöffnet werden. Jetzt haben wir erfahren, dass es erst um 12 Uhr losgeht. Ich wohne in der Hochstraße und bin rund ein Dutzend Mal im Jahr im Paulaner am Nockherberg. Während alles geschlossen war, sind wir öfter an die Isar gegangen und haben unser eigenes Bier mitgenommen. Oder wir haben uns im Muffatbiergarten was geholt. Jetzt freuen wir uns gscheit, dass wir wieder im Biergarten sitzen können und hier Mittagessen – und vor allem ein Bier trinken. Mundschutz haben wir auch mitgenommen, man könnte sagen, wir sind perfekt gerüstet für den Biergartenbesuch."
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