"Die Flüchtlinge von heute sind die Fachkräfte von morgen"

Wie das Sozialreferat, das Jobcenter und die Agentur für Arbeit Asylbewerbern den Einstieg ins Berufsleben erleichtern wollen.
München - Die Anfangszeit in München war nicht leicht für Obaidaj Alsaleh (32): „Alles war neu für mich. Ich konnte kein Wort Deutsch, ich kannte niemanden.“ Zwei Jahre später spricht der Flüchtling aus Damaskus die Sprache so gut, dass er Interviews geben kann. Er hat eine Wohnung, Freunde und kommt als stellvertretender Vorarbeiter bei der Kosmetik-Firma „New Flag“ selbst für seinen Lebensunterhalt auf.
Geschafft hat er das mit Unterstützung des Jobcenters, das in der bayerischen Landeshauptstadt rund 2350 Geflüchtete mit Aufenthaltstitel betreut – eine Zahl, die sich in naher Zukunft nach Schätzung von Experten mehr als verdoppeln wird.
Um all diesen Menschen – aber auch den Neuankömmlingen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist – den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, forderten Sozialreferentin Brigitte Meier, Jobcenter-Geschäftsführerin Anette Farrenkopf und Johannes Kolb, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit München gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz: einen schnelleren Zugang zu Sprachkursen für Asylbewerber, zielgerichtete Qualifizierungen und eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
„Wir bereiten uns darauf vor, dass etwa 6000 Menschen mit Fluchthintergrund zu uns ins Jobcenter kommen“, sagt Anette Farrenkopf. „Es ist wichtig, dass wir dafür Personal und Geld bekommen.“ Geld aus Berlin, auf das die Münchner derzeit warten. „Gut investiertes Geld“, so Anette Farrenkopf. „Schließlich brauchen wir Fachkräfte und die Flüchtlinge von heute sind die Fachkräfte von morgen und übermorgen.“
Das Jobcenter sei daher auf der Suche nach Arbeitgebern, „die Flexibilität zeigen und mitwirken wollen“. BMW, Linde, McDonalds und die Deutsche Bahn hätten ihre Bereitschaft, Geflüchteten eine Chance zu geben, schon signalisiert. „Wir setzen aber auch sehr auf Handwerks- und kleinere Betriebe.“
Gabriele Stamnitz von der Hechtl Maler GmbH bildet zwei Heranwachsende aus Afghanistan aus – und lobt: „Es hat sich herausgestellt, dass wir mit diesen jungen Leuten sehr gut zusammenarbeiten können. Sie sind einsatzfreudig und leistungsfähig und passen daher bestens in unser Team.“
Trotzdem zögern viele Arbeitgeber, einen Flüchtling auszubilden oder zu beschäftigen. Anette Farrenkopf: „Wenn das Aufenthaltsrecht jedes Jahr verlängert werden muss, stellt das eine gewisse Unsicherheit dar.“
Brigitte Meier fordert deshalb eine Überarbeitung des Zuwanderungsgesetzes. „Wir brauchen eine andere Regelung. Wenn unbegleitete minderjährige oder erwachsene Flüchtlinge hier eine Ausbildung machen und sich in den Arbeitsmarkt integrieren, muss gewährleistet sein, dass sie bleiben dürfen.“
Außerdem sei es wichtig, dass Geflüchtete möglichst schnell Deutsch lernten, sagt Johannes Kolb von der Agentur für Arbeit – und verkündet eine gute Nachricht: Sein Haus schule derzeit Deutschlehrer, die bald 10 000 Asylbewerber im Freistaat unterrichten sollen, „sofort und unabhängig vom Status“. Bislang war das Recht auf einen solchen (kostenlosen) Kurs nur anerkannten Flüchtlingen vorbehalten.
Schwierigkeiten bleiben dennoch, etwa bei der Anerkennung der Abschlüsse, die Flüchtlinge in ihrem Heimatland erworben haben. Eins der Hauptprobleme: Viele haben die entsprechenden Nachweise zurückgelassen.
Im Handwerk sei es leichter, die Kenntnisse eines Neuankömmlings zu überprüfen, sagt Anette Farrenkopf. „Bei Ärzten oder Pädagogen ist es deutlich schwieriger.“ Für die Zukunft sei auch hier Flexibilität gefragt.
Obaidaj Alsaleh ist flexibel. Und ehrgeizig. Noch immer lernt er vier Mal die Woche Deutsch, jetzt Zuhause. Außerdem sucht er gerade einen Nebenjob. Er braucht Geld, weil er Mutter und Schwester nachholen und studieren möchte.
All das will der Neu-Münchner aus eigener Kraft schaffen. „Ich mag keine Almosen. Ich will arbeiten.“
Das Jobcenter München betreut derzeit rund 2350 Flüchtlinge. Davon ist fast ein Drittel (rund 750) unter 25 Jahren. Rund 1400 sind für einen Sprachkurs angemeldet, etwa 400 sprechen gut genug Deutsch, um sofort eine Arbeit aufzunehmen und 180 sind in der Lage, eine Ausbildung zu beginnen.
Wenn Sie einem Geflüchteten eine berufliche Chance geben möchten, wenden Sie sich bitte entweder an den Arbeitgeberservice des Münchner Jobcenters (089 / 679 72 100, jobcenter-muenchen.arbeitgeber-service@jobcenter-ge.de) oder an den Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit (0800 / 45 55 520, Muenchen.arbeitgeber@arbeitsagentur.de).