Die Flossen-Posse - Fischdiebstahl im Schlosskanal

Zwei Burschen holen einen Fisch aus dem Schlosskanal und sollten die volle Härte des Gesetzes spüren. Das Amtsgericht spricht sie frei und liest der Staatsanwaltschaft die Leviten
MÜNCHEN „Posse“, „grotesk“, „lächerlich“ – Amtsrichter Müller sparte gestern nicht mit deutlichem Worten. Doch seine Kritik galt nicht etwa den Angeklagten, sondern der Anklagebehörde. Die hatte auf einer Strafe für zwei junge Burschen bestanden, die auf die dumme Idee gekommen waren, im Nymphenburger Schlosskanal zu fischen. Gestern standen der Bankkaufmann Navid G. (21) und der angehende Tierarzthelfer Michel H. (21) wegen Diebstahls vor dem Amtsgericht.
Ihnen war es gelungen mit einem Kescher einen kleinen Fisch aus dem Wasser zu holen. „Ich habe mich gewundert, dass das geklappt hat“, berichtet Navid G.. Die Idee zu der abendlichen Fischertour war seinem Spezl gekommen. „Unsere Freundinnen waren nicht da und uns war langweilig.“ Navid war sofort geständig. „Das war dumm und das letzte Mal, dass wir so etwas machen.“ Die beiden steckten den Fisch in den Rucksack, „um ihn zu Hause zu verzehren“. Nur wenige Augenblicke später war die Polizei da. Ein Passant hatte ihnen „verdächtige Personen“ gemeldet.
Die Polizisten durchsuchten die beiden und fand im Rucksack den Fisch. Der begann plötzlich wieder zu zappeln und wurde von den beiden Amateur-Fischern wieder ins Wasser gelassen. Er schwamm seiner Wege.
Der Staatswanwalt beantragte einen Strafbefehl. Das Amtsgericht wollte stattdessen das Verfahren gegen Geldauflage einstellen, die Anklagebehörde bestand aber auf der Strafverfolgung – aus „generalpräventiven“ Gründen.
Und blamierte sich vor Gericht. Dort erklärte Navid G.: „Wir haben nicht gewusst, dass wir jemandem schaden.“ Und siehe da: Hatten sie auch nicht. Denn der als Zeuge geladene Beamte der Schlossverwaltung erklärte, dass die Weißfische zufällig in dem Bachlauf schwimmen. Sie sind „herrenlos“ und vermehren sich unkontrolliert.
Damit war der Vorwurf des Diebstahls hinfällig. Die Staatsanwaltschaft plädierte selbst auf Freispruch, Richter Müller entsprach der Bitte. Nicht ohne mit der Anklagebehörde hart ins Gericht zu gehen. „In dieser Arbeitszeit hätten wir wirkliche Straftäter verfolgen können.“ Müller: „Manager, die Millionen-Schäden anrichten, kommen mit einer Einstellung des Verfahrens davon, die beiden ,Schwerverbrecher’ hier aber nicht.“ J. Schneider