Die fiesen Maschen der Betrüger

München - Wer auf einen Aufschneider oder Kriminellen hereinfällt, erleidet nicht nur einen finanziellen Verlust. Auch psychisch sind die Opfer von der Tat schwer belastet. In der neuen AZ-Serie "Vorsicht, Betrug!" erzählen ab heute Betroffene davon, wie leicht sie in die Falle getappt sind. Es ist auch eine Warnung: Denn einem Betrüger aufzusitzen, kann jedem passieren. In jeder Folge zeigt die AZ, wie eine Masche funktioniert. Experten erklären, wie Sie sich schützen können. Heute: falsche Polizisten.
Rentnerin Gerda Z. (84) wird von falschen Polizisten erpresst
Es war ein Albtraum, aus dem sie glaubte, nie mehr zu erwachen. Die Münchner Rentnerin Gerda Z. ist an Trickbetrüger geraten, die sich als Polizisten ausgaben. Zwei Jahre lang wurde sie belogen und manipuliert. Die Rentnerin verlor ihre gesamten Ersparnisse und machte sogar Schulden. Denn die heute 84-Jährige konnte die Geldforderungen nicht mehr erfüllen.
"Man saust blitzschnell rein in so etwas. So schnell kann man gar nicht schauen. Es war der totale Horror für die Seele", sagt die Rentnerin.
Die Zahl der Trickbetrügereien ist explosionsartig gestiegen. Im Sommer gingen an manchen Tagen 100 Anzeigen ein. Der Schaden hat Rekordhöhe erreicht: Die Täter machten mehr als drei Millionen Euro Beute. Über 2.000 Anzeigen beschäftigen die Ermittler. 2015 waren es im ganzen Jahr gerade mal 31.
Erfinderische Täter
Die Täter sind äußerst erfinderisch, ständig lassen sie sich neue Lügengeschichten und perfide Tricks einfallen. Sie rufen mit manipulierten Nummern an, die suggerieren, echte Kriminalbeamte seien dran.
Vor Kurzem brachten Gauner zwei Senioren sogar dazu, ihnen ihr Geld und ihren Schmuck in die Innenstadt zu bringen. Die Übergabe fand an öffentlichen Plätzen statt. Die Rentner verloren jeweils 100.000 Euro (AZ berichtete).
Eine andere Münchnerin leerte ihren Tresor und fuhr mit dem Taxi bis nach Frankfurt, um ihr Geld dort angeblichen Polizisten zu übergeben.
"Das Ansehen der Polizei leidet enorm unter dieser Betrugsmasche", sagt Erster Kriminalhauptkommissar Uwe Dörnhöfer (48), Leiter der AG Phänomene, die die Trickbetrüger jagt. "Es ist sehr schädlich, wenn das Vertrauen in die Institution Polizei dermaßen erschüttert ist."
Gerda Z. glaubt: "Mein Hobby wurde mir zum Verhängnis." Sie machte gern Gewinnspiele, investierte rund 30 Euro im Monat. Aber sie gewann so gut wie nie. Umso erfreuter war sie, als im April 2011 das Telefon klingelte und ein unbekannter Mann behauptete, sie habe bei einer Sonderverlosung einen Audi im Wert von 42.000 Euro gewonnen. Die Seniorin freute sich. Doch mit diesem Telefonat beginnt der Albtraum. Der Anrufer sagt ihr, dass sie Gebühren zahlen muss, wenn sie den Wert des Autos ausbezahlt haben wolle. Denn das Auto sei bereits nach Deutschland überführt worden.
Anfangs ist von 890 Euro die Rede, dann von 1.200. "Ich war so gutgläubig", erinnert sich die Rentnerin. Sie überweist das Geld. Doch die versprochene Auszahlung kommt nicht. Nach ein paar Monaten ist ihr klar, dass sie Betrügern aufgesessen ist. Ihrem kranken Mann, einem pensionierten Richter, erzählt sie nichts. "Ich wollte ihm diese Schmach ersparen."
Vermeintlicher Kriminalbeamter manipuliert die Frau
Monate später, im Dezember 2012, meldet sich ein "Dr. Richter" vom Bundeskriminalamt. Er behauptet, Leiter einer geheimen Ermittlungsgruppe zu sein und mit Interpol zusammenzuarbeiten. Er sei der Betrügerbande auf der Spur. Gerda Z. freut sich, dass sie helfen kann. Doch es ist nur ein weiterer Trick. Der vermeintliche Kriminalbeamte manipuliert die Frau. "Das war wie Gehirnwäsche", sagt Gerda Z. Um auch ihr bereits gezahltes Geld zurückzubekommen, müsse sie eine Bearbeitungsgebühr bezahlen. Sie soll in einer Drogerie Paysafe-Gutscheine für 500 bis 700 Euro kaufen. Das Geld schickt sie in die Türkei – zu anderen, angeblichen Polizisten.
Jeden Tag rufen die Betrüger bei ihr an. Immer morgens. Monatelang. "Wenn’s Telefon läutet, gibt man doch Antwort. Ich bin halt noch vom alten Schlag", sagt die Rentnerin über sich. Doch sie glaubt die Geschichten längst nicht mehr. Als sie in München zur Polizei gehen will, sagt "Dr. Richter", die wüssten von nichts, die Ermittlungen seien ja geheim. Dann kommen die Drohungen. Wenn sie nicht mehr zahlt, würde sie wegen Geldwäsche in die Türkei ausgeliefert und käme ins Gefängnis. Und: "Eine Frau hat mich am Telefon sogar mit dem Tod bedroht: Ich solle mich auf der Straße immer gut umschauen."
Gerda zieht sich aus Peinlichkeit immer mehr zurück
Als die Münchnerin keine Ersparnisse mehr hat, verkauft sie ihren Schmuck und nimmt einen Kredit auf. "Wir sind ja keine reichen Leute." Dann fordern die Betrüger, dass sie eine Hypothek auf ihre Doppelhaushälfte aufnimmt. Die eigentlich sehr fröhliche Frau zieht sich immer mehr zurück, spricht kaum noch, trifft ihre Freunde nicht mehr. "Ich war wie gelähmt. Ich wollte niemandem sagen, in welcher Klemme ich stecke. Das ist ja die Peinlichkeit hoch drei."
Erst, als ein Angestellter eines Geldtransferinstituts misstrauisch wird, hat der Albtraum ein Ende. Sie soll erneut 2.000 Euro ins Ausland transferieren. Der junge Mann am Schalter fragt sie, ob sie die Leute kennt, denen sie das Geld schicken will. Sie verneint. "Ich nehme Ihr Geld nicht an", sagt der junge Mann da. "Sie werden es nie wiedersehen. Gehen Sie zur Polizei!" Gerda Z. ist dem Bankangestellten unendlich dankbar: "Er hat mich gerettet!" Doch von ihrem Geld hat sie nie wieder etwas gesehen.
Auch heute noch, kommen der Rentnerin die Tränen, wenn sie über das Erlebte spricht. Doch sie möchte andere warnen, deshalb geht sie offen damit um. Ihr Mann ist vor drei Jahren gestorben. Von dem Horror, den seine Frau durchlebte, hat er nie erfahren.