Die FDP braucht wieder mehr Themen

Nach den Wahldebakeln der Liberalen zur Landtagswahl in Bayern und bei der Bundestagswahl.
von  Willi Bock
Die Münchner Europaabgeordnete Nadja Hirsch (FDP).
Die Münchner Europaabgeordnete Nadja Hirsch (FDP).

Nach den Wahldebakeln der Liberalen zur Landtagswahl in Bayern und bei der Bundestagswahl.

München - Die Münchner Europaabgeordnete Nadja Hirsch ist die letzte Mandatsträgerin der Bayern-FDP. Im Interview mit der Abendzeitung fordert sie eine grundsätzliche Erneuerung der Partei – und sagt, was getan werden muss

ABENDZEITUNG: Frau Hirsch, die FDP ist aus dem bayerischen Landtag herausgeflogen, sie ist nicht mehr im Bundestag. Jetzt sind Sie in Bayern die letzte liberale Parlamentarierin. Wie ist das?

NADJA HIRSCH: Eine Ehre, die ich lieber nicht gehabt hätte. Es ist schon eine große Verantwortung, die Einzige zu sein, die in einem Parlament noch liberale Ideen vortragen kann. Ich merke auch, dass jetzt viele auf mich zukommen.

Man hört, dass Sie für den neuen Bundesvorstand genannt werden.

(schmunzelt) Das habe ich auch gehört, als bayerische Vertreterin.

Wird sich für die FDP in München etwas ändern?

Allein äußerlich werden wir das Büro am Rindermarkt verkleinern oder schließen müssen. Es fehlen uns jetzt die Berufspolitiker, die eine Partei tragen. Wer einen Beruf hat, kann diese Arbeit nicht nebenbei machen.

Haben Sie noch Mut, im Mai 2014 wieder für das Europaparlament zu kandidieren?

Definitiv ja. Ich bin 1999 in die FDP eingetreten, als es der Partei damals auch nicht gut ging. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass es wieder nach oben geht.

Hatten Sie diesen Absturz befürchtet?

Ja, wenn auch nicht so schlimm. Ich habe auch einen Freundeskreis außerhalb der FDP, da war diese Tendenz spürbar. Aber ich hatte mit fünf plus X Prozent gerechnet.

Was haben Ihre Freunde gesagt?

Es lief immer wieder auf ein Thema zu: Glaubwürdigkeit.

Das ist aber ein K.O.-Schlag für eine Partei.

Außerdem habe ich immer wieder gemerkt, dass die FDP thematisch zu eng aufgestellt war. Nur Steuern allein ist zu wenig. So haben wir viele Menschen verloren, die vom Lebensgefühl her liberal sind.

Welche Themen haben Ihnen im Wahlkampf gefehlt?

Die Verbraucherthemen, Energiewende, Ausbildung, Internet, Datenschutz, Flüchtlingspolitik, Älterwerden oder wie viel man verdient.

FDP'ler verdienen doch immer gut, oder?

Ich kann auch leistungsbereit sein, ohne viel zu verdienen.

Was war für Sie das größte Problem?

Ein engagierter Wahlkampf reißt es nicht raus, wenn die Menschen vier Jahre lang nicht gemerkt haben, dass wir mit an der Regierung waren. Die beiden Ergebnisse sind hart. Aber die FDP war nicht mehr in der Lage zu vermitteln, warum man das Kreuz bei ihr hätte machen sollen.

Hatte die FDP neben den Themen in Rösler und Brüderle auch das falsche Personal?

Beide haben es nicht geschafft, das liberale Gefühl rüber zu bringen. Aber allein über die Köpfe zu reden, reicht nicht. Es muss sich grundlegend etwas ändern, und wenn der Rest nicht mitzieht, dann ist es egal, wer vorne steht.

Was braucht man, um vorne zu stehen?

Leute, die umgänglich sind, die normal sind, die zuhören können und die Respekt vor den Bürgern haben. Solche Menschen brauchen wir für die grundsätzliche Erneuerung der FDP.

Das ist doch eigentlich selbstverständlich. Hatte die FDP die nicht im Team?

Einige wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ja, andere weniger.

Wenn Sie jetzt den Aufbruch suchen, stehen Sie dann als Einzelkämpferin da?

Nein, es gibt durchaus Verbündete. Ich glaube auch, dass die Basis weiter ist, als manche unserer Leute in den Führungsgremien es sind. Ich habe inzwischen viele Mails von Parteifreunden bekommen, die neu anfangen wollen und gute Ideen haben.

Als letzte Parlamentarierin der FDP im Freistaat sind Sie dann auch in ganz Bayern unterwegs.

Ja. Ich habe deswegen schon einen kurzen USA-Urlaub gestrichen.

Das wird ein großes Arbeitspensum für Sie: Für das Europaparlament unterwegs sein, Bayern betreuen – und die Münchner wollen Sie schließlich auch sehen.

Allein der Arbeitsaufwand als Parlamentarierin ist nicht zu unterschätzen. Da sind Sie europaweit unterwegs. Manchmal werde ich morgens im Hotel wach und weiß nicht, in welcher Stadt ich bin.

Sind Sie nach den beiden verlorenen Wahlen denn auch schon morgens wachgeworden und haben sich gefragt, ob Sie sich das noch antun müssen?

Da bin ich Optimist. Wir brauchen eine liberale Partei, das wird man in den nächsten Jahren noch merken. Nur wenn wir den Kopf in den Sand stecken, ist alles verloren.

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