Die ewige Edda: 50 Mark von Strauß – und zwei Watschn

Die Münchnerin bedient seit 50 Jahren in der Bräurosl auf dem Oktoberfest – heuer nimmt die 70-jährige Abschied von der Wiesn.
von  Abendzeitung
Edda (70): Seit 50 Jahren bedient die Münchnerin in der Bräurosl.
Edda (70): Seit 50 Jahren bedient die Münchnerin in der Bräurosl. © Bernd Wackerbauer

MÜNCHEN - Die Münchnerin bedient seit 50 Jahren in der Bräurosl auf dem Oktoberfest – heuer nimmt die 70-jährige Abschied von der Wiesn.

Nur 175 Mark – das war die Ausbeute von Edda Unsinns erster Saison auf der Wiesn. 1959 war das. Heuer arbeitet die inzwischen 70-Jährige zum 50. Mal als Wiesnbedienung in der Bräurosl, oben auf dem Balkon in der Direktionsboxe der Brauerei. Es ist ihre letzte Wiesn.

Während andere seit Jahren das ruhige Rentner-Dasein genießen, läuft Edda Unsinn täglich „mindestens 100 Mal“ vom Balkon nach unten zur Küche, lädt acht Teller Essen auf ihr Tablett, marschiert durchs ganze Zelt und wieder rauf auf den Balkon. „Das ist schon anstrengend“, sagt die 70-Jährige, die noch immer zehn Maß auf einmal tragen kann. Wenn’s sein muss.

Bislang hat sie keinen einizigen Wiesn-Tag versäumt

Vor ein paar Tagen war sie allerdings beim Orthopäden. Sie ist halt nicht mehr ganz so belastbar wie damals, mit 20. „Aber jetzt geht’s wieder.“ In ihren 50 Jahren auf der Wiesn hat Edda Unsinn keinen einzigen Tag versäumt. „Ich habe auch gearbeitet, wenn ich 39 Grad Fieber hatte“, erzählt sie. „Eine meiner Töchter, die im August zur Welt kam, habe ich gleich nach der Geburt abgestillt, damit ich im September auf der Wiesn arbeiten kann“, erinnert sie sich, zuckt die Achseln und sagt: „Das Geld haben wir gut brauchen können.“

Ihre erste Saison startete die Taufkirchenerin mit nur einem einzigen Dirndl. „Als ich abends heim kam, wollte ich die Bluse in einem Kochtopf auswaschen. Darüber bin ich eingeschlafen, und als ich wieder wach wurde, war die Bluse verkokelt“, erinnert sich Münchens wohl dienstälteste Wiesnbedienung. Die restliche Zeit bediente die junge Edda also mit Rollkragenpulli unterm Dirndl. „Da hatten die Burschen nichts mehr zum Anschauen.“

Nichts zum Lachen hatten sie, wenn sie die junge Edda im Zeltgetümmel begrapschten. Zwei Watschen hat die gebürtige Münchnerin in 50 Jahren verteilt: Bei der ersten hatte ihr ein Unbekannter auf der Wiesn in den Rolli gefasst. „Der hatte sofort meine fünf Finger als Abdruck auf dem Gesicht“, sagt Edda Unsinn. Als sich daraufhin ein anderer aufregen wollte, fuhr die erst 20-Jährige ihn an: „Und du kannst gleich die nächste haben!“ Das zweite Mal knallte es Jahre später, oben, bei den feinen Leuten, auf dem Balkon, wieder nach einer Grapsch-Attacke. Die Spezln des Gewatschten entschuldigten sich später. Und gaben Edda 70 Mark Trinkgeld.

Luxus hat sie sich nie geleistet

Die lukrativste Saison erlebte Edda vor 20 Jahren. „Da haben wir hier oben Amerikaner und Franzosen bedient, die uns zum Abschied ihr ganzes, übriges deutsches Geld gegeben haben. Wir haben nur noch gelacht vor Freude.“

Luxus hat sich die 70-Jährige von ihrem Wiesn-Verdienst übrigens nie geleistet. „Wir haben ganzjährig einen Wohnwagen am Riegsee bei Murnau stehen, den wir vom Wiesn-Geld finanzieren. Da fahren wir fast jedes Wochenende raus. Den Rest kriegen die Enkelkinder oder mein Urenkel“, sagt Edda Unsinn, deren Mann Sigi (70) auch auf der Wiesn bedient – allerdings erst seit sieben Jahren.

„Jetzt sind wir immer gemeinsam hier oben am Balkon“, freut sich die Taufkirchenerin, die zusammen mit den anderen Bedienungen jeden Abend ein Fläschchen Prosecco leert und sich mit den Kolleginnen nach Zeltschluss noch auf ein Wurstbrot zusammensetzt. Dann geht’s heim, in die Badewanne, wo Edda Unsinn so tief eintaucht, dass nur noch das Gesicht aus dem Wasser schaut. Währenddessen kann sie wunderbar die Wiesnjahre Revue passieren lassen.

Ein Autogramm von Strauß brachte 50 Mark

Und sich zum Beispiel an den Tag erinnern, an dem sie sich aus Versehen im Gewühl ein Tablett ins Auge rammte. Mit ihrem blauen Auge musste sie sich die restliche Wiesn über anhören, ob ihr Mann ihr eine verpasst hätte, weil sie nicht genügend verdiene... Oder an die Story, als sie Franz Josef Strauß bediente und er ihr beim Abschied 50 Mark in die Hand drückte und ein Autogramm. „Das Autogramm habe ich später verkauft. Noch mal 50 Mark“, sagt Edda Unsinn zufrieden.

Daran, dass es mit dem Dasein als Wiesnbedienung bald vorbei ist, will sie lieber nicht denken. „Privat kann ich nächstes Jahr sicher nicht in die Bräurosl kommen, da werde ich wohl zu wehmütig. Vielleicht gehe ich dann mit meinem Mann auf ein schönes Essen in die Ochsenbraterei.“ Um sich dann ausnahmsweise mal selber bedienen zu lassen.

Daniela Transiskus

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