Die Erbschleicher-Masche: Wo lauern Gefahren und wie kann man sich schützen?

Eine Vorsorgevollmacht macht es Betrügern leicht, Senioren um ihr Vermögen zu bringen. Die AZ erklärt, wo die Gefahren lauern und was Justizminister Eisenreich ändern will.
von  Nina Job
Ein vermeintlicher Helfer kann sich auch als jemand entpuppen, der sich selbst bereichern will. (Symbolbild)
Ein vermeintlicher Helfer kann sich auch als jemand entpuppen, der sich selbst bereichern will. (Symbolbild) © imago

München - Und plötzlich tauchte dieser deutlich jüngere Mann auf. Er gewann das Vertrauen der alleinstehenden Witwe Inge F. (Name geändert), zog schon nach kurzer Zeit bei der 80-Jährigen ein. Damit brach schlagartig der Kontakt ab zwischen der Rentnerin, die in Berlin wohnt, und ihrer Tochter in München. "Der Mann hat sie völlig von ihrer Familie abgeschirmt", berichtet Anwalt Wolfgang Böh aus Gräfelfing.

Erbschleicher: Steigende Fallzahlen und hohe Dunkelziffer

So ähnlich beginnen viele Geschichten über ältere, einsame oder kranke Menschen, die in die Fänge von Erbschleichern geraten. Die Betroffenen werden isoliert und um ihr Vermögen gebracht. Sehr oft ist es unwiederbringlich verloren. Das Mittel zum Ziel sind Vorsorge-, General- und Kontovollmachten.

"Die Missbrauchsfälle nehmen drastisch zu", sagt Rechtsanwalt Wolfgang Böh, er auf Erb- und Betreuungsrecht spezialisiert ist. Offizielle Daten gibt es zwar nicht, doch auch im Justizministerium spricht man von steigenden Fallzahlen und einer hohen Dunkelziffer. Das Problem: Erbschleicherei ist kein eigener Straftatbestand und wird daher nicht gesondert erfasst. Nur in extremen Fällen landet ein Täter mal wegen Betruges vor Gericht. Spezielle Gesetze zum Schutz älterer Menschen gibt es in Deutschland nicht.

"Das Vorgehen der Erbschleicher wird immer professioneller"

Für die skrupellosen Täter sind Vollmachten ein Jackpot, um sich mit relativ wenig Aufwand zu bereichern. Zu holen gibt es viel: 2020 hatten die Deutschen laut Statistischem Bundesamt 50,2 Milliarden Euro zu vererben. 2010 war es noch halb so viel.

"Das Vorgehen der Erbschleicher wird immer professioneller", sagt Wolfgang Böh. "Es gibt sogar Täter, die mehrere Opfer gleichzeitig schädigen." Begünstigend sei, dass Eltern und ihre erwachsenen Kinder heute oft in verschiedenen Städten leben. "Wenn dann ein Elternteil nach dem Tod des Partners alleine zurückbleibt, haben es die Täter leichter", sagt er.

Mal ist es der Nachbar oder die Putzhilfe, mal der vermeintliche Freund, auch Pfleger und Angehörige werden zu Tätern. "Zunächst unterstützen sie die älteren Menschen, lassen sich dann Vollmachten ausstellen und betrügen die Betroffenen um deren Geld und Wertgegenstände", erklärt die Polizei auf der Seite www.polizei-beratung.de.

Anwalt Böh hebt hervor: "Mit einer Vorsorgevollmacht kann man jemanden quasi entmündigen und sich seiner zivilrechtlich bemächtigen."

Die Tochter von Inge F. hatte eine Vorsorgevollmacht für ihre Mutter, da die 80-Jährige unter einer psychischen Erkrankung leidet. Doch der neue Mann hat sich eine neue unterschreiben lassen und die der Tochter widerrufen. Nun bestimmt er über das Leben und die Finanzen von Inge F. - solch "missbräuchliche Widerrufe" will Justizminister Georg Eisenreich mit einer Gesetzesänderung künftig verhindern.


Minister will mehr Schutz vor Erbschleichern

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) will, wie die AZ exklusiv erfuhr, Senioren besser vor Erbschleichern schützen. Auf der am Donnerstag beginnenden Justizministerkonferenz in Berlin wird er eine Gesetzesänderung vorschlagen.

Georg Eisenreich von der CSU.
Georg Eisenreich von der CSU. © dpa

Bislang ist es möglich, dass bestehende Vorsorgevollmachten durch Erbschleicher quasi ausgehebelt werden: Sie lassen sich einfach eine neue unterschreiben und widerrufen die bisherige. Eisenreich zur AZ: "Durch unseren Vorschlag wird sichergestellt, dass der redliche Bevollmächtigte den anderen kontrollieren und bei einem Missbrauchsverdacht das Betreuungsgericht einschalten kann." Er betont: "Wir müssen Menschen, die aufgrund ihres Alters besonders verletzlich sind, wirksam schützen."


Tipps gegen Erbschleicher: Das rät die Polizei

So gehen Erbschleicher leer aus - das rät die Polizei:

- Erteilen Sie eine Vollmacht nur Personen, denen Sie absolut vertrauen und die Sie schon lange kennen.

- Erteilen Sie die Vollmacht vor Zeugen, hinterlegen Sie Abschriften beim Hausarzt und Ihrer Bank.

- Setzen Sie zwei Bevollmächtigte ein. So kontrollieren sich diese gegenseitig.

- Lassen Sie sich die eigene Geschäftsfähigkeit ärztlich attestieren und fügen Sie das Attest der Vollmacht bei.

- Beschränken Sie die Bankvollmacht auf einen maximalen Betrag pro Monat.

- Verbieten Sie ausdrücklich, dass die bevollmächtigte Person sich selbst begünstigt. Schließen Sie Schenkungen grundsätzlich aus.

- Bitten Sie Ihre Bank, beim Betreuungsgericht, bei Angehörigen, beim Kontrollbetreuer nachzufragen, wenn Onlinezugänge angefordert, neue Bankvollmachten erteilt, Konten gekündigt, Depots und Sparanlagen aufgelöst und Vermögen übertragen werden sollen.

- Verbieten Sie, dass Immobilien verkauft oder belastet werden.

- Stimmt etwas nicht? Sofort Vollmacht widerrufen!

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