„Die ehrlichen Leute leiden unter den Betrügern“

  Erwin Schneider (84) kriegt einen Strafzettel, weil er den Parkschein in seiner Jacke vergisst. Er will ihn nachreichen – doch das geht nicht  
von  Christian Pfaffinger
Der Münchner Rentner Erwin Schneider in seinem Auto: Er findet es ungerecht, dass die Stadt nachgereichte Parkscheine nicht akzeptiert.
Der Münchner Rentner Erwin Schneider in seinem Auto: Er findet es ungerecht, dass die Stadt nachgereichte Parkscheine nicht akzeptiert. © Petra Schramek

 

Erwin Schneider (84) kriegt einen Strafzettel, weil er den Parkschein in seiner Jacke vergisst. Er will ihn nachreichen – doch das geht nicht

München - Es sind nur zehn Euro, aber sie haben Erwin Schneiders Gerechtigkeitsempfinden doch sehr zugesetzt. „Man muss die Möglichkeit haben, seine Unschuld zu beweisen“, sagt der 84-jährige Münchner. Seine Schuld ist nicht groß, auch die Strafe nicht, aber dem Rentner geht’s ums Prinzip: „Da geht es vielen anderen genauso!“

Es ist ein Dienstag, als Erwin Schneider aus Versehen zum Verkehrssünder wird. Der Giesinger fährt an diesem Tag wie oft mit seiner Frau zum Alten Sendlinger Friedhof, wo seine Familie ein Grab hat. Er stellt das Auto in der Karwendelstraße ab, löst einen Parkschein und geht zum Friedhof. Als er nach gut zwanzig Minuten wieder zum Auto zurück kommt, findet er einen Straftzettel unter den Scheibenwischer geklemmt.

Erst ist Erwin Schneider verdutzt, dann merkt er, dass er den Parkschein aus Versehen in seine Jackentasche gesteckt hatte, anstatt ihn ins Auto zu legen. „Dann muss ich den Parkschein eben nachreichen“, meint er und schickt die Verwarnung zusammen mit dem Parkschein an die Verkehrsüberwachung im Kreisverwaltungsreferat (KVR).

Doch die wollen seinen Nachweis nicht anerkennen. Mehrmals hakt Erwin Schneider nach. Ohne Erfolg. Vorsichtshalber überweist er die zehn Euro, weil ihm sonst ein Bußgeldverfahren droht. „Ich habe aber unter Vorbehalt überwiesen“, sagt er. „Es sind zwar nur zehn Euro, aber wieso muss ich die bezahlen, wenn ich beweisen kann, dass ich einen Parkschein hatte?“

Die AZ fragt bei der Behörde nach, wieso der vorgelegte Parkschein nicht akzeptiert wird. Es gibt zwei Gründe.

Zum einen steht in der Straßenverkehrsordnung (§13 Abs. 1), dass der Parkschein „am oder im Fahrzeug von außen gut lesbar angebracht sein muss“, damit er gültig ist. Und das war der Schein von Erwin Schneider eben nicht.

Zum anderen gibt es noch einen praktischen Grund: Betrugsgefahr. „Wir haben es oft selbst erlebt, dass Parkscheine getauscht wurden“, sagt ein Sprecher der Münchner Verkehrsüberwachung. „Da kommen zwei Parkende gleichzeitig zum Auto, der eine hat einen Strafzettel und bittet den anderen um den Parkschein, um den nachzureichen.“

Weil man im Nachhinein nicht überprüfen könne, ob Erwin Schneider den Parkschein selbst gelöst oder von jemand anderem bekommen hat, könne man den nachgereichten Schein nicht akzeptieren. So schützt sich die Verkehrsüberwachung vor Betrug.

Erwin Schneider beteuert, ehrlich zu sein. Er versteht zwar die Argumente, findet das Vorgehen der Behörde aber „bürokratisch und unsinnig“. Die Regeln seien ungerecht: „Weil einige Leute betrügen, haben die Ehrlichen einen Nachteil.“

Eine Ausnahme macht die Verkehrsüberwachung bei ihm aber trotzdem nicht.

 

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