Die dreisten Tricks der Ladendiebe
Frecher geht es kaum: Der junge Mann spazierte ohne Einkaufswagen in den Münchner Supermarkt. Packte Fleisch, Gemüse, Käse, Nudeln, Olivengläser, Rasierer, Antifaltencremes, Batterien und diverse Wein- und Bierflaschen in seine riesige Einkaufstasche – und drückte sich einfach an der Kassenschlange vorbei. Flüchtig lächelte er noch der Kassiererin zu. Und dann rannte er – mit einem ganzen Sack Diebesgut.
Nur einer von geschätzten 80 000 Münchner Ladendieben im Jahr!
„Die Diebe werden immer dreister“, sagt Handelsverbands-Chef Bernd Ohlmann, „sie stehlen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Und leider werden sie auch immer gewalttätiger. Viele bedrohen Kassiererinnen und schlagen und treten sofort um sich, wenn sich ein Ladendetektiv nähert. Das macht uns große Sorgen.“
Das Landeskriminalamt hat dem Handelsverband gestern die neuen Zahlen durchgegeben: Allein in München wurden im letzten Jahr 7737 Ladendiebstähle gemeldet. „Aber es wird höchstens einer von zehn Dieben entdeckt“, sagt Ohlmann. „Den Münchner Geschäftsleuten entsteht pro Jahr durch Ladendiebe ein Schaden von 50 Millionen Euro.“
Und den ersetzen nicht die Versicherungen, sondern: die ehrlichen Kunden. „Natürlich legen die Ladenchefs den Schaden auf ihre Kunden um und machen ihre Produkte entsprechend teurer.“
Härtere Strafen
Die Geschäftsleute haben jetzt die Nase voll – und fordern „eine härtere und konsequentere Bestrafung“ von Ladendieben. „Viele Diebe sind Wiederholungstäter. Die Strafen sind oft sehr gering und nicht wirklich abschreckend“, schimpft Verbands-Chef Ohlmann. „Weil viele Verfahren einfach eingestellt werden, zeigen viele Ladenbesitzer die Diebe gar nicht mehr an.“ Die Idee: „Wir brauchen ein Zentralregister, um sie schneller zu identifizieren. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen jeden Fall konsequent verfolgen. Viele Ladendiebe würde sicherlich auch abschrecken, wenn als Strafe ein temporärer Führerscheinentzug drohen würde.“
Wer sind die Diebe?
Die Täter kommen aus allen Schichten der Gesellschaft, hat der Handesverband analysiert. „Darunter sind viele Jugendliche, die als Mutprobe auf Diebeszug gehen“, sagt Ohlmann, „aber auch viele Rentner oder Hartz-4-Empfänger, die in finanzieller Not sind, hochdotierte Manager oder Hausfrauen, die aus Langeweile klauen, Kleptomanen, die ihre Krankheit dazu treibt oder Leute, die sich beim Stehlen einfach einen Kick holen.“ Und immer öfter ziehen osteuropäische Banden durch Münchens Läden. Sie gehen auf Bestellung auf Diebeszug und richten besonders große Schäden an: „Da lenken zwei Leute das Personal ab und der oder die anderen räumen die Regale von oben bis unten leer.“
Was wird am liebsten geklaut?
Das beliebteste Diebesgut sind kleine, teure Artikel. Wie Parfüm-Flakons, teure Anti-Aging-Cremes, Marken-Nagellacke oder Wimperntuschen. Dazu DVDs, Konsolenspiele, Speichermedien, Schmuck und Marken-Klamotten oder Dessous. Entsprechen häufig betroffen sind Läden in Einkaufszentren, wie Drogeriemärkte, Schmuckgeschäfte, Bekleidungsläden und Computer- und Elektro-Läden. In den meisten Geschäften liegen deshalb teure Kleinteile wie Rasierklingen oder Aufsätze für Elektrozahnbürsten gar nicht mehr im Regal, sondern müssen an der Kasse nachgefragt werden.
Wie gehen die Diebe vor?
Vieles verschwindet ganz einfach in Jacken-Innentaschen, Ärmeln oder Handtaschen. Bekleidungs-Diebe tricksen mit dem „Zwiebeltrick“, ziehen sich also Wäsche, Tops oder Shirts einfach unter ihre Bekleidung und spazieren damit aus dem Laden. Schwer zu entdecken auch: Der Trick mit dem „Trojanischen Pferd“, also präparierte Einkaufstaschen mit doppeltem Boden, in den das Diebesgut hineingelegt wird – uneinsehbar für Kontrolleure am Eingang. Organisierte Banden gegen auch immer mehr dazu über, elektronische Etiketten und „Piepser“-Mechanismen mit technischen Tricks auszuhebeln.
Dabei stecken Bayerns Geschäftsleute pro Jahr 170 Millionen Euro in die Ladendieb-Prävention: Videoüberwachungen, Detektive, Mitarbeiterschulungen, Piepser und vieles mehr. Kommende Woche trifft sich der Handelsverband mit Bayerns Justizminister Winfried Bausback. Bernd Ohlmann: „Wir sprechen darüber, wie die Justiz härter durchgreifen kann. Ich hoffe, dass danach endlich mal was passiert.“