Die Debatte ums Dirndl

Marga Beckstein weigert sich partout auf der Wiesn ein Dirndl zu tragen. „Ich habe kein Dirndl und brauche auch kein Dirndl,“ so ihre Meinung. Nun gibt es Tadel von Trachtenvereinen. Die AZ befragte vier Schürzenträgerinnen.
von  Abendzeitung

Marga Beckstein weigert sich partout auf der Wiesn ein Dirndl zu tragen. „Ich habe kein Dirndl und brauche auch kein Dirndl,“ so ihre Meinung. Nun gibt es Tadel von Trachtenvereinen. Die AZ befragte vier Schürzenträgerinnen.

Bayerns First Lady Marga Beckstein hat noch nie den traditionellen CSU-Vorstellungen entsprochen, das macht sie für viele sympathisch. Doch ihr Dirndl-Boykott beim Anzapfen auf der Wiesn sorgt jetzt für Riesenwirbel. Überall wird heftig diskutiert. „Das ist für uns verheerende“, heißt es in der CSU. Denn gerade bei den Münchnern und Oberbayern muss die Partei um Stimmen buhlen. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer präsentiert sich deshalb zwei Wochen vor der Wahl in der „Bunten“ mit einer ungewöhnlichen Homestory: sie im rosa Seidendirndl, ihr Ehemann in der zünftigen Krachledernen.

Doch was bringt’s, wenn ausgerechnet Bayerns First Lady das Dirndl nicht mag? Während in der CSU hinter den Kulissen nur noch Kopfschütteln herrscht, bemüht man sich öffentlich um salomonische Formulierungen. Haderthauer: „Ich finde es am wichtigsten, dass man sich in dem, was man anhat, wohlfühlt.“ Wirtschaftsministerin Emilia Müller, Chefin der bayerischen Frauen-Union, eierte herum, zog ihre Aussage zurück und erklärte dann schriftlich: „Ich habe schon als Kind gerne Dirndl angezogen. Der Frau des Ministerpräsidenten muss man freistellen, ob sie ein Dirndl anzieht oder nicht."

Otto Dufter, Vorsitzender der bayerischen Trachtenvereine, sagt: „Ich kann mir schon vorstellen, dass einige Oberbayern sagen: "Die wähl ma ned.“ Dufters Stellvertreter Adi Müller findet, „es würde sich schon gehören, dass die Landesmutter im Dirndl auf die Wiesn geht“ – und empfiehlt fränkisches Trachtengewand. Die Staatskanzlei versucht die Wogen zu glätten: Zwar bleibt Marga stur. Regierungssprecher Michael Ziegler: „Sie wird in einer dem Anlass entsprechenden Form angemessen gekleidet sein.“ Wie? Das bleibt noch ihr Staatsgeheimnis.

„Das Kampfdress der CSU“

Claudia Roth (53), Schwäbin, Grünen-Chefin: „Mir machen Dirndl richtig Spaß. Besonders weil sich dann die Schwarzen aufregen. Einmal sind sie mich schon angegangen, ich würde das Dirndl entehren. Die CSU bildet sich ein, dass es ihr Kampfdress ist. Frau Beckstein ehrt es, wenn sie es nicht anziehen mag. Aber das Dirndl hat natürlich auch was mit Bayern zu tun. Auch ich gehöre hier her. Beckstein kann jetzt ja ein bisserl abrücken von seiner deutschen Leitkultur, denn offensichtlich gibt’s ja nichtmal eine bayerische Leitkultur imDirndltragen. Die Wähler sollen uns Grüne anschauen: Wir ziehen’s gerne an. Und unser Sepp Daxenberger hat die schönste Lederhosen.

„Das Dirndl ist ein Lebensgefühl“

Beate Merk (51), Schwäbin, Justizministerin: „Ich bin quasi mit Dirndl aufgewachsen, genau so wie mit Jeans. Ich ziehe ja nicht so gerne Röcke an, deshalb ist für mich Dirndl immer die feierliche Variante. Ich trage gerne Dirndl. Deshalb nutze ich auch jede Gelegenheit dafür. Beim Viehscheid im Allgäu habe ich es natürlich an, auf der Wiesn ist es für mich selbstverständlich. Dirndl ist für mich persönlich auch ein Lebensgefühl. Es ist ein Kleidungsstück, das überall hinpasst. Aber einen Zwang etwas anzuziehen, habe ich noch nie gemocht. Wenn Frau Beckstein zum Anzapfen lieber was anders anzieht, soll sie es tun. Warum nicht? Wir sind doch in Bayern liberal!

„Falsche Politik, falsches Dirndl"

Renate Schmidt (64), Fränkin, Ex-Bayern-Chefin der SPD: „Ich habe schon Dirndl getragen, bevor ich in die Politik ging. Aber die Frauen-Union sollte sich lieber darum kümmern, dass in München und Nürnberg von ihrer Partei auch Frauen aufgestellt werden. Außerdem haben die Dirndl, die man auf der Wiesn sieht, mit Tracht eh nichts mehr zu tun. Eine falsche Politik der CSU wird durch ein falsches Dirndl von Marga Beckstein auch nicht richtiger.“

„Kleiderzwang gibts nicht"

Edith von Welser-Ude (69), Münchens First Lady: „Ich habe schon als Kind gern Dirndl getragen. Es ist ein wunderbares Kleidungsstück. Es gehört für mich zu München und zum Oktoberfest. Es ist auch ein Ausdruck von Fröhlichkeit und Feierlaune. Ich finde es sehr schade, wenn Frau Beckstein nicht im Dirndl kommen will. Aber das muss sie selber wissen, Kleiderzwang gibt es nicht. Es muss auch jemand zeigen dürfen, dass er nicht dazugehören will.“

Angela Böhm

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